Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
rasender Geschwindigkeit näher kam. Angstvoll drückte sie sich mit dem Rücken an die Wand hinter dem Bett, über dem der Schein der Öllampe zuckte, die sie vor Stunden entzündet hatte.
Die Tür zerbarst krachend in Latten und Splitter, als sich das Wasser dagegenwarf und schäumend hereinbrach. Jacobina kniff die Augen zu und hielt die Luft an, presste die Lippen fest zusammen, als das Wasser hart auf ihre Haut traf, sie überspülte und gegen die Wand quetschte, daran hochdrückte, während es den Raum bis zur Decke flutete. Die Mauer hinter ihr erzitterte und brach mit einem Ruck, und in einem Strudel aus Steinbrocken, Holzteilen und Möbeltrümmern trug die Flut Jacobina mit sich.
Floortje schrie wieder und wieder Jacobinas Namen; zwei Hausdiener hielten sie an den Armen gepackt, gleich wie sehr sie auch strampelte und trat, damit sie sich nicht in die Flut stürzte, die krachend und gurgelnd durch das untere Stockwerk geschossen war, die Treppe mit sich gerissen hatte und am Fundament des Hauses rüttelte.
Ihre Muskeln gaben nach; kraftlos hing sie in den Armen der beiden Männer und sah verschwommen hinter dem Tränenschleier aufblitzen, wie die restlichen Trümmer des Amtsgebäudes im Strom davonjagten.
»Jacobina«, schluchzte sie. »Jacobina.«
Jacobina wurde im Wasser umhergeschleudert wie eine Stoffpuppe, ebenso schlaff und hilflos, von Schutt und Steinbrocken niedergedrückt und wieder darunter hervorgezogen, untergerissen und herumgewirbelt. Ihre Brust war wie eingeschnürt, und ihre Lunge stand kurz vor dem Zerplatzen.
Ich werde sterben , ging es ihr nüchtern durch den Kopf. Ich werde sterben. Gleich. Jetzt.
Die Flut schleuderte sie gegen etwas Hartes; der Aufprall stieß ihr unter heftigem Sprudeln den angehaltenen Atem aus dem Leib, und Wasser verdrängte den Rest. Wie ein Bleiband zog die Atemnot ihre Brust zusammen, und sie tastete blind umher. Sie bekam etwas Festes zu fassen, packte es mit beiden Händen und hangelte sich daran herauf. Funken tanzten vor ihren Augen, ihr Kopf schien im nächsten Moment zerspringen zu wollen und ihr Leib zu bersten.
Dann tauchte sie auf, hustete, spuckte, würgte, rang nach Luft. Luft, bitte, Luft ; sie spie weiter Wasser aus und sog keuchend noch mehr Luft ein. Ihre Lungen brannten, die Kehle war rau und wie verätzt, und stöhnend tastete sie sich Hand um Hand weiter aufwärts. Das Salzwasser biss in ihren Augen, trotzdem zwang sie sich, sie offen zu halten, in der Hoffnung, irgendetwas erkennen zu können. Ein Lichtblitz flammte auf und enthüllte ihr für den Bruchteil eines Augenblicks eines der Holzhäuser, an dessen Treppengeländer sie hing. Schwer atmend zog sie sich weiter hinauf, bekam mit ihrem Fuß irgendwo Halt, stemmte sich hoch und hievte sich über das Geländer. Schwer ließ sie sich auf der anderen Seite niederplumpsen, ins Wasser hinein, das in Knöchelhöhe die Holzbohlen überflutete.
Jacobina hustete und schnappte nach Luft, während das Haus unter ihr im ständigen Zustrom des Wassers erzitterte. Im aufflackernden Licht betastete sie sich am ganzen Körper. Den Sarong hatte ihr die Flut heruntergezerrt; auf ihrer Haut klebten nur noch die knielange Unterhose, das Hemdchen und die Kebaya. Einige Stellen an Armen und Beinen waren geprellt, und sie hatte Kratzer an den Handrücken und Schienenbeinen; sonst schien sie unversehrt. Schwer atmend lehnte sie sich an die Hauswand und hoffte, das Wasser würde nicht noch weiter steigen und das Haus auch stehen bleiben.
To…long. To…long .
Jacobina hob den Kopf und horchte.
»Hallo?«, krächzte sie auf gut Glück in die Finsternis.
» To…long . Hil…fe«, kam die Antwort, kaum zu hören unter dem gewaltigen Rauschen der Flut und den Donnerschlägen; undeutlich klang es, als hielte derjenige das Gesicht nur mit Mühe über Wasser. Jacobina wandte den Kopf in alle Richtungen und versuchte auszumachen, woher der Ruf kam. Ächzend rollte sie sich herum und kroch auf allen vieren über wasserbedeckten Holzboden, die Längsseite des Hauses entlang.
» Tool… « Der Rest ging in blubbernden Geräuschen unter, und Jacobina krabbelte schneller vorwärts.
»Hallo?«
» To…long. «
Jacobina hatte die gegenüberliegende Seite erreicht, hielt sich am Geländer fest und spähte durch die Streben hindurch in die Schwärze. Giftig gelb flackerte es auf, und gleich noch einmal. Die ausladende Krone einer Palme reckte sich aus dem Wasser, kaum eine Armlänge entfernt, zwischen diesem Haus
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