Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
anmutig bewegten und die so zierlich wirkten; selbst diejenigen, deren Wickelröcke sich an breite Hüften und pralle Hinterteile schmiegten und unter deren Blusen sich ein üppiger Busen abzeichnete, erinnerten in den seidigen Stoffen in Fuchsia, Veilchenblau, Lachsrosa, Pomeranzengelb und Apfelgrün an prächtige Tropenfalter, die durch das Haus und über die Veranda schwebten.
Vermutlich hätte es Bertha van der Beek, selbst Herrin über eine beachtliche Dienerschaft, gefallen, dass ihre Tochter im Haushalt der de Jongs von einer ganzen Schar an Dienstboten umsorgt wurde, von denen jeder eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte. Endah würde sich niemals um die Kleidung von Frau de Jong kümmern, das übernahm ein anderes Mädchen, während ein wieder anderes die Leintücher bügelte, niemals aber die Tischtücher, um die sich ein weiteres Dienstmädchen kümmerte. Für das Bettenmachen gab es ein Mädchen und eine ganze Reihe, die sich das Saubermachen nach streng abgegrenzten Bereichen aufteilten. Die Köche bereiteten zwar die Mahlzeiten zu, das Herrichten und Vorbereiten der Zutaten jedoch fiel den Küchenhilfen jeweils für Fleisch, für Fisch, Gemüse und Obst zu. Es gab sogar einen Gärtnergehilfen, der sich allein darum kümmerte, möglichst viel Ungeziefer von der Veranda zu vertreiben und den Rasen nach Schlangen abzusuchen, und spillerige Burschen, kaum dem Kindesalter entwachsen, zogen stundenlang mit gleichmütigem Gesichtsausdruck an den Enden der Seile, die die punkahs , die an der Decke befestigten Schwingfächer, in Bewegung hielten. Und die Sitte, die Herrschaft mit ehrerbietigen Bezeichnungen anzureden wie tuan für Herr , nyonya für Herrin oder gar nyonya besar für große Herrin und selbst kleine Kinder wie Jeroen und Ida mit nyo und non anzusprechen, eine liebevolle Abkürzung für junger Herr und Fräulein , hätte Bertha van der Beek mit Wohlwollen betrachtet.
Weniger gut hätte es Jacobinas Mutter gefallen, wie unschicklich man sich in der feinen Gesellschaft von Batavia benahm, auf die Jacobina manchmal einen Blick im Hause de Jong erhaschte. Damen, die zu ihrem teuren Schmuck die zwar hauchfeinen, aber simplen Blusen und Wickelröcke trugen, da Kleider und elegante Roben nach Pariser Mode größeren gesellschaftlichen Anlässen wie festlichen Diners, Bällen und Paraden vorbehalten waren. Damen, die die Angewohnheit hatten, ungeniert herauszulachen, laut zu sprechen und wild zu gestikulieren, und nicht allein diejenigen unter ihnen, bei denen Form und Farbe der Augen, das dunkle Haar und der tief karamellfarbene Teint den Schluss zuließen, dass malaiisches Blut in ihren Adern floss. Mit herzlichen Umarmungen und Wangenküssen begrüßte man sich hier, und nicht selten saßen die Damen, die zu Besuch kamen, stundenlang mit Frau de Jong auf Matten, die auf dem Boden ausgebreitet waren, und spielten mit Würfeln und Karten um Geld, während sich die Herren schon mittags bei Arrak oder Cocktails zusammenfanden, Zigarren rauchten und dabei bis in die Nacht hinein einen solchen Lärm veranstalteten wie in einer Hafenkaschemme. Die ohnehin spät aufgetragenen Mahlzeiten dehnten sich über Stunden hinweg aus, wie auch eine ausgiebige Mittagsruhe zum guten Ton gehörte. Bertha van der Beek, die nie ohne eine Handarbeit am Kamin saß, hätte wohl vieles hier in Batavia mit der alten Weisheit, für müßige Hände fände nur der Teufel Arbeit, gerügt. Schließlich wäre ihre Mutter ähnlich schockiert wie Jacobina selbst gewesen, hätte sie davon erfahren, wie Jacobina einmal zu Frau de Jong bestellt wurde und sie bäuchlings auf einer Matte am Boden liegend vorfand. Nur ein Tuch um die Hüften geschlungen, hatte sie sich nach den Fortschritten der Kinder erkundigt, während eine Malaiin ihr den eingeölten Rücken durchwalkte.
Wie eine Forelle, die sich durch die Strömung flussaufwärts kämpft, war Jacobina sich in den ersten Tagen und Wochen hier vorgekommen, nachdem so vieles, was hier alltäglich war, bei ihr auf Widerstand stieß, ihr ungehörig vorkam oder peinlich war. Doch so wie Jacobina sich stets allem gefügt und alles erduldet hatte, gab sie schließlich auch diesen Widerstand auf und ließ sich von dem sprudelnden Strom mittragen, der das Leben im Haus am Koningsplein Oost durchfloss und in ihr die Ahnung einer ungekannten Freiheit aufkeimen ließ.
Vor allem über diese Freiheit mochte sie ihren Eltern nicht schreiben. Dass es im Haus kein Schulzimmer mit Tafel gab und keine
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