Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
lauschten sie in den Garten hinaus, spähten in das dichte Blattwerk der Hortensien hinein, um vielleicht einen Blick auf den suchenden Jeroen zu erhaschen.
Hinter Jacobina raschelte etwas, und sie wandte den Kopf. Auf der Veranda stand ein Mann in braunem Anzug und weißem Hemd, die obersten Knöpfe leger geöffnet. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er an einer der Säulen und beobachtete mit einem amüsierten Lächeln, wie Jacobina auf der Erde kauerte, den Saum des Wickelrocks bis über die Knie ihrer bloßen Beine hochgeschoben und das Hinterteil in die Höhe gereckt. Ihre Augen weiteten sich, und ihre Lippen formten ein stummes, hilfloses »Oh«.
»Onkel Jan!«, brüllte Jeroen auf, und Jacobina hörte ihn losspurten; neben ihr quiekte Ida entzückt auf und sauste ebenfalls davon. Jeroen war als Erster die Stufen hinaufgestürmt; lachend hob ihn der Mann unter den Achseln hoch und schwang den Jungen herum, der vor Freude jubelte und strampelte.
»Mensch, bist du gewachsen in den paar Monaten«, rief der Besucher mit einer warmen, volltönenden Stimme aus und setzte Jeroen wieder ab. Dafür hob er nun Ida hoch, die vor Vergnügen quietschte, als sie über dem Kopf des Mannes schwebte. »Und das Prinzesschen wird auch immer hübscher!« Er setzte Ida auf seinem linken Arm ab und zupfte Jeroen, der ihn gerade spielerisch gegen die Hüfte boxte, scherzhaft am Ohr. »He, junger Mann, wo bleiben deine Manieren? Solltest du mich nicht mit der Dame bekanntmachen?« Mit einer Kopfbewegung wies er auf Jacobina, die aufgestanden war und sich gerade ihren Rock zurechtschob. Und sich ein Loch wünschte, in dem sie sich verkriechen konnte.
Jeroen winkte sie zu sich heran, und Jacobina ging langsam zur Veranda hinauf. »Das ist unsere noni Bina«, erklärte Jeroen mit zärtlichem Stolz.
»Bina!«, rief auch Ida glücklich aus. Für sie hatte sich Fräulein van der Beek als zu kompliziert erwiesen, und da Jeroen nicht hatte einsehen wollen, warum ausgerechnet er sich dann mit diesem langen Namen abmühen sollte, hatte er ebenfalls auf »Bina« beharrt und darauf, sie weiterhin zu duzen. Allerdings hatte er von sich aus die Anrede noni davorgesetzt, und mittlerweile nannten sie alle im Haus außer dem Major noni Bina , Fräulein Bina.
»Eigentlich Jacobina van der Beek«, brachte Jacobina mühsam hervor, während sie die Hand ergriff, die Onkel Jan ihr entgegenstreckte. Schlank und so großgewachsen, dass er Jacobina sogar ein gutes Stück überragte, mochte er ungefähr in ihrem Alter sein. Der forschende Blick seiner tiefliegenden Augen, deren Farbe irgendwo zwischen sanftem Blau und zartem Grau lag, war Jacobina unangenehm, und sie wusste nicht, wohin sie schauen sollte.
»Die Hauslehrerin und Gouvernante«, ergänzte sie.
Noch während sie das sagte, ging ihr auf, wie wenig sie in diesem Moment einer solchen ähnelte. Der Sarong war zerknittert und grasfleckig und ebenso staubig wie ihre Füße. Ihre undamenhaft großen und knochigen Füße, die sie nirgends verstecken konnte und die unter der Sonne einen ähnlichen Farbton angenommen hatten wie ihr Gesicht und ihre Hände, irgendwo zwischen blassem Pfirsich und hellem Gold, den sie an sich hässlich fand. In dieser dünnen Bluse, in der sie sich mehr ausgezogen fühlte denn bekleidet, und kaum dass ihr Gegenüber ihre Hand losgelassen hatte, verschränkte sie die Arme vor der mageren Brust.
»Jan Molenaar«, erwiderte er. »Ein Freund des Hauses.«
Sein hellbraunes Haar war mit blonden Glanzlichtern durchsetzt und wirkte ein bisschen zerrauft, ebenso wie der Bart über seinem schmalen Mund und am Kinn. Auf eine bodenständige Art sah er gut aus mit seinem flächigen, freundlich wirkenden Gesicht, das mit seinen weichen Konturen und der Sonnenbräune noch etwas Jungenhaftes besaß, obwohl eine steile Falte zwischen den Augenbrauen ihm etwas Grüblerisches verlieh.
»Jan, wie schön!« Margaretha de Jong trat auf die Veranda, in Kebaya und einem prächtigen in Smaragdgrün und Königsblau gemusterten Sarong. In einer herzlichen Geste breitete sie die Arme aus. »Hattest du eine gute Reise?«
»Tag, Griet.« Er ließ sich mitsamt der kleinen Ida von ihr in die Arme schließen, drückte sie mit seiner freien Hand an sich und küsste sie auf beide Wangen. »Danke, hatte ich.«
»Habt ihr euch schon miteinander bekannt gemacht?« Fragend sah sie von Jan Molenaar zu Jacobina, die nur nicken konnte.
»Ja, haben wir«, antwortete er und sah Jacobina so lange
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