Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
wir alle!«
»Mhmm«, brummte der vierschrötige Gerrit Houtmans, kippte schnell seinen Genever die Kehle hinunter, schüttelte sich und bleckte mit einem genießerischen Laut die Zähne. »Dann kannst du dir auch gleich ein Telephon anschaffen!«
»Jaha, da guckst du, was?!« De Groot hieb James van Hassel auf die Schulter. »Nicht mehr nur das Postamt und einzelne Bureaus, nein, seit ein paar Monaten haben auch die ersten Wohnhäuser eines. Feine Sache!«
»Und wir kriegen jetzt auch eine dampfbetriebene Tram«, erzählte Maarten Amelsvoort voller Stolz, steckte sich eine Zigarre an und paffte mehrmals daran, bis er dahinter hervornuschelte: »Mit Schienen und allem Drum und …«
»He, Edu! Edu!«, übertönte ihn Huub de Groot und winkte in den Raum hinein. »Hier!«
Der junge, strohblonde Mann drehte sich um die eigene Achse und sah sich suchend um; als sein Blick auf de Groot und die anderen Herren fiel, die James van Hassel umringten, erhellte sich seine Miene, und er kam schnellen Schrittes auf sie zu.
»Jaap! Mensch, altes Haus, dass du dich auch mal wieder blicken lässt!« Herzlich umarmte Eduard van Tonder den seltenen Gast.
»Grüß dich, Edu«, rief James van Hassel. »Wie geht’s dir?«
»Unser lieber Edu hier«, de Groot schlang einen Arm um van Tonders Genick, »dürfte dir heute Abend allerdings die größte Sensation überhaupt berichten. Nicht, Edu?«
Unter dem wissenden Gelächter, das auf ihn niederprasselte, lief Eduard van Tonder rot an, grinste dann aber selig, als sich die Köpfe der versammelten Herren zu einem der Tische neben den Säulen umdrehten.
»Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen«, ereiferte sich Frau de Groot, ebenso rotgesichtig, rundwangig und hellblond wie ihr Gatte, gerade. »Aus Boston haben wir damals unser Eis herbeigeschifft! Aus Boston, meine Liebe!«
Frau Leeuwenhoeck gegenüber schüttelte bei der Erinnerung daran den Kopf, sodass ihre tropfenförmigen Ohrgehänge aufblitzten. »Furchtbar war das! Ich kann mich noch sehr gut an die Dinnerpartys erinnern, bei denen es ausgelassener zuging, oder an Abende hier im Club, an denen doch mehr Gäste kamen als erwartet – und dann saß man irgendwann da, ohne Eis, mit lauwarmen Getränken. Entsetzlich!«
»Und jetzt können wir mal eben jemanden um Nachschub zur Fabrik schicken«, erklärte Frau de Groot und tätschelte mit ihrem zusammengeklappten Fächer Floortjes Knie. »Sie sehen also – Sie sind genau zur rechten Zeit nach Batavia gekommen!«
»Das glaube ich auch, ja«, erwiderte Floortje lachend und nippte an ihrem Champagnerglas. Aufrecht, die Füße eng beisammen und seitlich abgestellt, wie sie es sich bei Jacobina abgeschaut hatte, saß sie auf der Kante der Sitzfläche und unterdrückte ein genussvolles Aufseufzen, während sie sich nach allen Seiten umschaute. Den Mund zu einem verführerischen Lächeln gekräuselt, das an niemand bestimmten gerichtet war, wog sie sich in der Gewissheit, heute Abend so gut auszusehen, wie sie sich fühlte.
Überaus herzlich war das Willkommen ausgefallen, mit dem die im Club versammelte feine Gesellschaft Batavias sie begrüßt hatte, als ob Floortje längst dazugehörte. Als wäre sie unter ihresgleichen, unter diesen Menschen, die die schönen Dinge und das süße Leben liebten. Die nicht ohne Manieren waren, aber legere Umgangsformen pflegten und es mit der Etikette des Mutterlandes nicht allzu genau nahmen. Hier sah ihr niemand an, dass sie die Tochter des Emporkömmlings und Pleitiers Claas Dreessen war, den seine zweite Frau kleinhielt, weil sie auf dem Geld saß, mit dem er seine Gläubiger ausgezahlt hatte und von dem er seither lebte. Hier war sie nicht die missratene Nichte von Cokkie und Ewoud Althuis, die man am besten zu Hause einsperrte, bevor sie den Ruf ihrer Tante und ihres Onkels, die sie so großmütig, so barmherzig nach dem Tod ihrer Mutter aufgenommen hatten, mit noch mehr Schande befleckte. Jung und schön, geschmackvoll angezogen und frisiert, in Begleitung des vermögenden Edu van Tonder, passte Floortje genauso gut hierher wie die violetten und weißen Orchideen in den Steingutkübeln, die den Raum zwischen den Säulen und in den Nischen entlang der Wände schmückten.
»Ich will ja nicht neugierig sein …«, ergriff Frau Leeuwenhoeck neben ihr wieder das Wort, und Floortjes Herz setzte einen Schlag aus.
»Das wäre auch das erste Mal!«, warf Frau de Groot neckisch ein und deutete mit ihrem zusammengeklappten Fächer erst
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