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Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole C. Vosseler
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willen«, sagte er, als er sich aufrichtete, Floortjes Hand aber weiter festhielt, »hast du bestimmt nichts dagegen, wenn Fräulein Dreessen mir diesen Tanz schenkt.«
    Floortje sah sich um; sie hatte nicht bemerkt, dass die nächste Tanzrunde angekündigt worden war und im Raum plötzlich eine vergnügte Unruhe brodelte, die daraus entstand, dass viele Herren sich beeilten, noch eine der wenigen Tanzpartnerinnen abzubekommen. Wer leer ausging, folgte den Paaren in den benachbarten Saal, in der Hoffnung, beim nächsten Tanz mehr Glück zu haben; der Rest formierte sich mit den Gläsern in der Hand zu redseligen Grüppchen oder zog sich in die Nebenzimmer zum Kartenspiel zurück.
    »Keineswegs, keineswegs«, kam Edu van Tonders schnelle Antwort, und er warf sich stolz in die Brust, offenbar überglücklich, dass seiner Angebeteten diese Anerkennung seitens des Freundes zuteilwurde. »Viel Spaß!«
    Mit weichen Knien stemmte Floortje sich hoch und nickte Edu mit schwachem Lächeln zu.
    Bei jedem ihrer Schritte war sie sich James van Hassels Nähe bewusst, dem sie kaum bis zur Schulter reichte; sie konnte fühlen, wie sein Blick unverwandt auf ihrem Scheitel ruhte, und ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Die beruhigende Erkenntnis des früheren Abends, dass Tänze mit einfachen Schrittfolgen bevorzugt wurden, da die wenigsten Damen der feinen Gesellschaft ausgiebigen Unterricht genossen hatten und fast alle Herren schwerfällige Tänzer waren, zerstob für einige bange Augenblicke, als James van Hassel ihre Hand nahm und sie an sich zog; erst als sie merkte, dass er sie gut und sicher führte, legte sich ihre Angst, auf der Tanzfläche unangenehm aufzufallen.
    »Sie dürften die erste Dame überhaupt sein«, sagte er nach einiger Zeit, »die mir das Gefühl gibt, es sei eine Strafe, mit mir tanzen zu müssen.«
    Unwillkürlich flatterte ein kleines Lächeln um Floortjes Mund, und sie schüttelte den Kopf. Ihr Blick verharrte weiterhin auf der Frangipaniblüte an seinem Revers, deren süßer Duft ihr den Kopf vernebelte. Darunter nahm sie einen schweren, würzigen Duft wahr, noch betont durch den Hauch eines frischen Rasierwassers, der sie unwiderstehlich anzog.
    Es dauerte einige Takte, bevor er erneut das Wort an sie richtete. »Edu hat Sie mir vorhin als temperamentvoll und nicht gerade einsilbig beschrieben. Verzeihen Sie, dass mich Ihr Schweigen deshalb doch ein wenig irritiert.«
    Floortje konnte sich den Knoten selbst nicht erklären, der ihre sonst so flotte Zunge lähmte, während James van Hassels Hand auf ihrem Rücken ihr beständig Schauder hinablaufen ließ und seine Stimme ihr eine wohlige Gänsehaut machte und etwas tief in ihrem Leib in Schwingung versetzte.
    »Entschuldigung«, flüsterte sie schließlich seiner Hemdbrust entgegen.
    »Sie müssen nicht mit mir tanzen, wenn Sie nicht wollen«, erklärte er und lockerte seinen Griff.
    Erschrocken sah Floortje zu ihm auf und schüttelte den Kopf. »Nein! Das … das ist es nicht.« Verlegen senkte sie den Blick wieder.
    »Hm«, machte er. Mit einem tiefen Durchatmen fügte er hinzu: »Vielleicht versuchen wir es mit ein wenig höflicher und gepflegter Konversation. Sind Ihre Eltern denn heute Abend auch zugegen, Fräulein Dreessen?«
    Floortjes Tanzschritte verlangsamten sich; plötzlich war ihr elend zumute.
    »Nein«, hauchte sie. »Ich … ich habe niemanden mehr.«
    Nur einen Vater, der mich gegen eine vermögende Ehefrau eingetauscht hat. Und einen Bruder, den er mitgenommen hat. Dutzendfach hatte sie in Batavia schon erzählt, dass sie ein Waisenkind war, das keine Angehörigen mehr hatte; jedes Mal hatte sich eine Flut herzlichen Mitgefühls über sie ergossen und jede weitere Neugierde im Keim erstickt. Zwar waren Tante Cokkie und Onkel Ewoud noch am Leben, aber nach dem, was sich hinter den spitzenverhangenen Fenstern des Häuschens in Sneek abgespielt hatte, waren die beiden für Floortje buchstäblich gestorben. So wie Floortje für sie. Aber erst jetzt, während James van Hassel sie zur Musik des Orchesters in den Armen hielt, fühlte sie sich einsam und verlassen. Tränen brannten hinter ihren Lidern, und ihre Hände erschlafften.
    »Verzeihen Sie«, hörte sie ihn mit aufrichtiger Betroffenheit raunen. »Das wusste ich nicht. – Möchten Sie sich setzen?«
    Floortje konnte nur nicken, und sie ließ sich von ihm zu einem der Armlehnstühle führen, die immer paarweise neben einem Tischchen an die Wand des Saals gerückt waren. Kaum dass

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