Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
flackerte es immer wieder bläulich über das dunkle Himmelstuch – der Widerschein der Blitze, die die nahende Regenzeit ankündigten.
»Du brauchst nicht abspannen zu lassen«, rief James van Hassel aus dem Fond nach vorne. »Das lohnt nicht, ich bleibe höchstens auf ein oder zwei Gläser.«
»Ja, tuan , ist gut«, kam es vom Kutschbock.
In seinem Lichterglanz schälte sich das Haus am Ende des Kanals aus der tropischen Nacht wie ein Traumbild. Während die Barouche darauf zurollte, gewann die goldene Aureole aus Licht weiter an Konturen und enthüllte einen langgestreckten, klassisch gehaltenen Bau. Noch bevor der Wagen die Stelle erreicht hatte, an der der Kanal eine scharfe Biegung nach links machte, wurde der Schriftzug »Harmonie« auf dem dreieckigen Ziergiebel über den Säulen auf der Schmalseite lesbar. Neben dem vom Militär bevorzugten Concordia am Waterlooplein der bekannteste Club Batavias und nicht nur der Ältere von beiden, sondern auch der mit der besseren Lage: zwischen Rijswijk und Rijswijkstraat, in unmittelbarer Nachbarschaft des Hotel der Nederlanden , des Grand Hotel Java und des Cavadino , nicht weit von den exklusiven Juwelieren und Uhrmachern wie Van Arcken & Co und auch nur einen Steinwurf vom Sitz des Generalgouverneurs entfernt.
Vor dem Erdgeschoss umlief eine schmale Terrasse mit einem niedrigen schmiedeeisernen Geländer den Club, und von der Terrasse im oberen Stockwerk mit ihrer steinernen, von der Nachahmung antiker Vasen gekrönten Balustrade aus hatte man einen herrlichen Blick über den großzügigen Garten und auf die Stadt. Die Flügel der fast deckenhohen Fenstertüren standen offen und ließen neben dem festlichen Lichtschein leise Musik, gedämpftes Stimmengewirr und Gelächter auf die Straße hinausfluten. Die Aufschrift Oger Frères der Hausfassade auf der rechten Seite erinnerte James van Hassel daran, möglichst schnell dort vorbeizuschauen und sich neue Anzüge anfertigen zu lassen. Am besten gleich morgen; es war wirklich zu lange her, dass er zum letzten Mal hier gewesen war.
Die Barouche hielt vor dem säulengestützten Portikus, und mit einem knappen Dank an den Kutscher stieg James van Hassel aus.
»Selamat sejahtera, tuan!« – »Selamat sejahtera, tuan!« , begrüßten ihn mit ehrerbietigen Verneigungen die Bediensteten des Clubs in langen Jacken und Hosen unter dem gemusterten Wickelrock mit passendem Tuch um das Haupt; einer nahm ihm den Zylinder ab, ein zweiter heftete ihm eine weiße Frangipaniblüte ans Revers seines Fracks, und er trat ein.
Neben dem Türrahmen blieb er stehen, zog die Manschetten seines Hemdes zurecht und sah sich um. Er war spät dran; heute erst war er mit dem letzten Zug in Batavia eingetroffen, und nachdem er in dem kleinen Bungalow, den er hier unterhielt, nach dem Rechten gesehen und über einem Glas Genever mit dem Nachbarn Neuigkeiten ausgetauscht hatte, war gerade noch Zeit geblieben, ein Bad zu nehmen und in den Frack zu schlüpfen. Es war weit nach Mitternacht und das Souper, das sich an die ersten Tanzrunden des Abends angeschlossen hatte, bereits zu Ende; durch einen der gegenüberliegenden Türrahmen konnte er sehen, wie die Bediensteten im Nebenraum die Tafel abräumten und für das spätere Buffet herrichteten, während die Gäste sich bei einem Umtrunk auf das weitere Tanzvergnügen einstimmten, das bis in die frühen Morgenstunden hinein dauern würde.
Wie hellgoldener Honig troff das Licht der Lampen von der stuckverzierten Decke, unter der sich der Rauch der Zigarren und Zigaretten sammelte, brach sich in ihren Prismen aus Kristall und ergoss sich über Herren in ihren Fräcken, die sich in dem langen, von einer Säulenreihe durchzogenen Raum drängten. Auf den niedrigen Armlehnstühlen aus dunklem Holz saßen die wenigen Damen bei einem Glas Champagner beisammen, in den Abendroben und mit ihrem Schmuck schillernd wie Paradiesvögel. Wie in einem Baum voller Zikaden summte es bis unter die hohe Decke, und die säuselnde Musik des ronzebons , des Orchesters einheimischer Musiker, die auf westlichen Instrumenten aufspielten, ging darin fast unter.
»Van Hassel!«, bellte eine Männerstimme ganz in der Nähe. »Ist denn das die Möglichkeit!« Ein korpulenter Mann mit fast weißblondem Haar und Bart, dessen kleine, spitze Nase nicht so recht zu den vollen Wangen und der gut gepolsterten Kinnlinie passen mochte, kam strahlend und mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Die beiden Männer begrüßten einander mit
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