Das Herz der Feuerinsel: Roman (German Edition)
Köpfen schwenkten. Ihre Rufe trafen auf die Gegenrufe der Besatzung, verflochten sich mit den Stimmen der Passagiere, die sich an der Reling drängelten, und mit dem betriebsamen Lärm im Hafen, der von Menschen wimmelte. Eine vor Temperament übersprudelnde Geräuschkulisse, ansteckend in ihrer Lebenslust, von Zeit zu Zeit durch das ohrenbetäubend röhrende Horn eines ablegenden Dampfers ausgelöscht, ehe sie erneut auf das Deck herüberschäumte.
Aus den Fischerbooten zitterten die Klänge angeschlagener Saiten herauf. Die warmen Töne der Gitarren rieselten heran, das Schmeicheln der Lauten und die Triller der Mandolinen vervielfachten und verdichteten sich zu einer Melodie, in die die Musikanten aus voller Kehle einstimmten. »Io t’aggio amato tanto, si t’amo tu lo ssaje …« Ein Lied, dessen Weise und Sprache ebenso kräftig und feurig waren wie melancholisch und sehnsüchtig. »Io te voglio bene assaje … e tu non pienze a me!«
Jacobina fuhr zusammen, als Floortje ihre Hand packte; ihr Arm zuckte zurück, wollte die fremden Finger, die viel zu vertrauliche Berührung loswerden wie ein lästiges Insekt. Floortje indes ließ sich nicht einfach abschütteln; aufgeregt klammerte sie sich an Jacobina, einen andächtigen und sehnsuchtsvollen Ausdruck auf dem Gesicht. Ein vervielfachtes, überlautes Echo dessen, was Jacobina selbst empfand. Viel zu tief in ihr vergraben, als dass es an die Oberfläche gelangen konnte, und doch in zaghafte Resonanz versetzt. Die verkrampften Muskeln ihrer Finger lockerten sich, und sie hielt still.
Ein mehrfaches, halb ersticktes Räuspern ließ sie beide auseinanderfahren und sich umdrehen. Herr Aarens stand hinter ihnen, sichtbar um eine aufrechte Haltung bemüht, die ihn in seinem schlecht sitzenden Anzug mehr denn je wie einen zu schnell erwachsen gewordenen Pennäler wirken ließ.
»Ver… verzeihen Sie die Störung, wertes Fräulein Dreessen«, begann er verlegen. Über seinem borstigen Backenbart zeichneten sich rote Flecke ab, und mit einer fahrigen Handbewegung rückte er erst den Knoten seiner zu eng gebundenen Krawatte zurecht, bevor er sich den unvermeidlichen Bowlerhut so heftig vom Kopf riss, dass sich einige Strähnen seines struppigen braunen Haares dabei aufstellten. »Ich habe mir erlaubt«, in einer unbeholfenen Verbeugung faltete er seine schlaksige Gestalt zusammen, »… dürfte ich Ihnen diese hier …« Seine andere Hand, die er bislang hinter dem Rücken verborgen gehalten hatte, schnellte hervor und streckte Floortje ein kleines Blumengebinde entgegen.
»Ooh«, hauchte Floortje, die Wangen rosig und ein Leuchten in den Augen. »Wie freundlich von Ihnen!« Beinahe feierlich nahm sie das Sträußchen aus wilden Rosen, Mohnblumen und Madonnenlilien entgegen, in das Zweige von Lavendel und Rosmarin eingeflochten waren. »Ich liebe Lilien«, murmelte sie, vergrub das Gesicht in den weichen Blütenblättern und strahlte dann unter flatternden Lidern Herrn Aarens an. »Vielen, vielen Dank!«
Die Röte auf seinem Gesicht breitete sich weiter aus, während er sichtlich nach einer passenden Erwiderung suchte und sich gleichzeitig voller Stolz aufplusterte – darüber, den Mut aufgebracht zu haben, Fräulein Dreessen diese Gabe zu überreichen, die noch dazu von ihr derart wohlwollend aufgenommen worden war –, bis die Knöpfe des fadenscheinigen Jacketts über seiner mageren Hemdbrust spannten.
Brüsk wandte sich Jacobina ab. Blumen bekamen stets die anderen, das war schon immer so gewesen; seltsam, dass es ihr noch immer so viel ausmachte. Sie drückte die Schultern durch und ging mit staksigen Schritten davon. Floortjes Stimme, die ihren Namen rief, blendete sie aus, so gut es ging.
»Jacobina! So warte doch! Warte!« Atemlos holte Floortje sie ein, fasste sie am Ellenbogen und sah besorgt zu ihr auf. »Was ist denn?«
»Nichts.« Mit einem Ruck machte Jacobina sich los und wollte weitergehen.
Floortje stellte sich rasch vor sie hin. »Warte. Hier, schau.« Geschickt löste sie eine weiße, zartrosa geflammte Rose aus dem Gebinde und hielt sie Jacobina lächelnd hin. »Die ist für dich!«
Stumm starrte Jacobina die Blüte an. Wie ein Sinnbild kam sie ihr vor, für das, womit sie sich hätte begnügen sollen. Die Brosamen, die andere übrig gelassen hatten.
»Behalt sie«, sagte sie schließlich rau. »Ich will sie nicht.«
Die Stirn gerunzelt, den Mund zu einer Schnute aufgeworfen, sah Floortje zwischen der Rose und Jacobina hin und her, eher
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