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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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benutzen, die zum Empfang im ersten Stock führte, schlich ich mich ins Erdgeschoss.
       Ich betrat einen großen Speisesaal. Schwarze und weiße Bodenplatten, Gewölbe und Säulen aus Stein. Am anderen Ende des Saals ein sonnenbeschienener Portalvorbau zum Park hin. Eine Krankenschwester kam vorbei. Ich sagte ihr, dass ich gern den Arzt sprechen würde, der Luc Soubeyras das Leben gerettet hatte.
       »Tut mir leid, er isst gerade zu Mittag.«
       »Um 11 Uhr?«
       »Er operiert anschließend.«
       »Ich erwarte ihn hier«, sagte ich, während ich meinen Dienstausweis herauszog. »Sagen Sie ihm, er soll sein Dessert mitbringen.«
       Die junge Frau ging weg. Ich hasste es, mich auf meine Amtsbefugnisse zu berufen, aber schon die Vorstellung, mich der Kantine mit ihrem klirrenden Geschirr und ihren Essensgerüchen auszusetzen, bereitete mir Unbehagen. Schritte im Saal.
       »Was wollen Sie?«
       Ein hochgewachsener Mann im weißen Kittel kam auf mich zu. Er sah verärgert aus.
       »Commandant Mathieu Durey. Mordkommission Paris. Ich führe Ermittlungen über den Selbstmord von Luc Soubeyras durch. Er wurde gestern hier eingeliefert.«
       Der Arzt musterte mich aufmerksam durch seine Brille. Um die Sechzig, schlecht gekämmtes weißes Haar, ein langer Geierhals. Schließlich sagte er:
       »Ich habe meinen Bericht gestern Abend an die Gendarmerie geschickt.«
       »Wir bei der Kripo haben ihn noch nicht erhalten«, log ich. »Sagen Sie mir zunächst einmal, wieso Sie ihn ins Hôtel-Dieu von Paris verlegen ließen.«
       »Wir sind für solche Fälle nicht ausgerüstet. Luc Soubeyras war Polizist, da haben wir gedacht, dass das Hôtel-Dieu …«
       »Man hat mir gesagt, dass seine Rettung an ein Wunder grenzt.«
       Der Arzt konnte sich ein stolzes Lächeln nicht verkneifen.
       »Luc Soubeyras ist noch einmal davongekommen, das stimmt. Er wurde mit Herzstillstand eingeliefert. Nur durch außergewöhnliches Glück konnten wir ihn reanimieren.«
       Ich zog ein Notizheft und einen Kugelschreiber heraus.
       »Was meinen Sie damit?«
       Der Arzt steckte seine Hände lässig in die Hosentaschen und machte einige Schritt Richtung Garten. Er hatte einen gebeugten Rücken, ja einen ausgeprägten Buckel. Ich folgte ihm auf dem Fuß.
       »Erster günstiger Umstand«, hob er an. »Die Strömung hat ihn mehrere Meter mit sich gerissen, und er ist mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen, sodass er ohnmächtig geworden ist.«
       »Wieso ist das günstig?«
       »Wenn man in Wasser eintaucht, hält man zunächst den Atem an, auch wenn man sich umbringen will. Wenn der Sauerstoffgehalt im Blut dann abnimmt, öffnet man den Mund – das ist ein Reflex, den man nicht unterdrücken kann. Man ertrinkt innerhalb von Sekunden. Luc verlor kurz vor diesem entscheidenden Moment das Bewusstsein. Er konnte den Mund nicht mehr öffnen. Seine Lungen enthielten daher kein Wasser.«
       »Aber er ist erstickt, oder?«
       »Nein, er erlitt einen Atemstillstand. In diesem Zustand fließt das Blut automatisch langsamer durch den Körper und sammelt sich in den lebenswichtigen Organen: Herz, Lunge, Gehirn.«
       »Wie im Winterschlaf?«
       »Ganz genau. Dieses Phänomen wurde durch das kalte Wasser noch verstärkt. Luc erlitt eine schwere Unterkühlung. Als die Sanitäter seine Temperatur maßen, war sie auf vierunddreißig Grad gesunken. In dieser Kältestarre hat der Körper die in ihm verbliebenen Quäntchen Sauerstoff verwertet.«
       Ich machte mir weiterhin Notizen.
       »Wie viel Zeit hat er Ihrer Meinung nach unter Wasser verbracht?«
       »Das lässt sich nicht sagen. Nach Auskunft des Notarztes war der Herzstillstand gerade erst eingetreten.«
       »Hat er eine Herzmassage durchgeführt?«
       »Zum Glück nicht. Das wäre das sicherste Mittel gewesen, um aus diesem Scheintod einen echten Tod zu machen. Das Rettungsteam hat lieber gewartet, bis er hier war. Sie wussten, dass ich eine spezielle Technik anwenden konnte.«
       »Was für eine Technik?«
       »Folgen Sie mir.«
       Der Arzt trat hinaus ins Freie und ging an einem modernen Gebäude entlang, das er schließlich betrat. Der Operationstrakt. Weiße Korridore, Flügeltüren, chemische Gerüche. Eine weitere Tür. Wir befanden uns jetzt in einem Raum, der leer war bis auf einen würfelförmigen Apparat vor der Wand, so hoch wie eine Kommode und auf Rollen montiert. Der

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