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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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gegen den Baum, der am nächsten stand.
       »Arbeiten Sie jeden Tag hier?«
       »Nur montags und dienstags. Ich bin heute gekommen wie immer. Ich hab nichts gehört.«
       »Erzählen Sie.«
       Er steckte seine Hand in die Tasche, zog den Flachmann heraus und hielt ihn mir hin. Ich lehnte ab. Er nahm einen weiteren Schluck.
       »Als ich in die Nähe des Flusses kam, hab ich ihn sofort entdeckt. Ich bin ins Wasser gesprungen und hab ihn herausgezogen. Der Fluss ist hier nicht sehr tief.«
       »Wo genau war das?«
       »Hier. Ein paar Meter von der Schleuse entfernt. Ich hab die Polizei angerufen. Sie waren in zehn Minuten da. Es war fünf vor zwölf. Eine Minute später, und die Strömung hätte ihn mitgerissen. Ich hätte nichts gesehen.«
       Ich betrachtete eingehend die Oberfläche des Flusses, die völlig unbewegt war.
       »Die Strömung?«
       »Heute Morgen gibt es keine, weil die Schleuse geschlossen ist.«
       »Stand sie gestern offen?«
       »Monsieur Soubeyras hatte sie geöffnet. Er hatte alles geplant. Wollte bestimmt mitgerissen werden …«
       »Ich hab gehört, dass er sich mit Steinen beschwert hat.«
       »Deswegen hab ich ihn kaum aus dem Wasser gekriegt. Er wog Tonnen. Er hatte sich Mauersteine um die Hüfte gebunden.«
       »Wie hat er das gemacht?«
       Philippe stand auf.
       »Kommen Sie mit.«
       Er bahnte sich einen Weg durch das dichte Strauchwerk. Im hinteren Teil des Gartens lag eine schwarze Holzhütte zwischen Unterholz und Hainbuchenhecke. Mit einer Plane bedeckte Holzscheite waren längs der Bretterwand gestapelt. Mit einem Schulterstoß öffnete Philippe die Tür. Er trat zur Seite, damit ich ins Innere sehen konnte:
       »Letztes Wochenende hatte mich M’sieur Soubeyras gebeten, hier alte Mauersteine unterzustellen, die seit Ewigkeiten am anderen Ufer des Flusses herumlagen. Ich sollte einige in zwei Teile zersägen. Ich hab nicht genau verstanden, weshalb. Jetzt weiß ich, dass er sich damit beschweren wollte. Er hatte das Gewicht, das er brauchte, um unterzugehen, berechnet.«
       Ich warf einen flüchtigen Blick in die Kammer. Es war Zeit, sich damit abzufinden, dass Luc einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Ich wich benommen zurück.
       »Wie hat er diese Steine an sich befestigt?«
       »Mit dreifach gewickeltem Draht. Im Wasser wirkte das wie ein Bleigürtel, den die Taucher verwenden.«
       Ich atmete die kalte Luft in einem tiefen Zug ein. Ich spürte Stiche in der Magengrube. Der Hunger, der Schnaps und auch die Angst. Was war mit Luc passiert? Welche Entdeckung hatte ihn dazu bewogen, seinem Leben ein Ende zu setzen, seine Familie im Stich zu lassen und seinen Glauben zu vergessen?
       Der Bauer machte die Tür wieder zu und fragte:
       »Trotzdem war er Ihr Kumpel, oder?«
       »Mein bester Freund«, antwortete ich geistesabwesend.
       »Wirkte er bedrückt?«
       »Nein.«
       Ich wollte diesem Fremden nicht verraten, dass ich seit mehreren Monaten nicht mehr mit Luc gesprochen hatte, obwohl nur ein Stockwerk zwischen unseren Arbeitsplätzen lag. Zum Abschluss fragte ich ins Blaue hinein:
       »Abgesehen davon, ist Ihnen nichts merkwürdig vorgekommen? Ich meine, als Sie den Körper aus dem Wasser zogen?«
       Der Mann im schwarzen Anzug kniff seine kleinen grünen Augen zusammen. Wieder schien Argwohn in ihm aufzusteigen.
       »Hat man Ihnen nichts von der Münze erzählt?«
       »Nein.«
       Der Gärtner kam näher. Er schien wissen zu wollen, ob mein Erstaunen echt war. Als er sich überzeugt hatte, flüsterte er mir ins Ohr:
       »In seiner rechten Hand hielt er eine Münze. Zumindest nehme ich das an. Ich habe nur die Kette gesehen, die herunterhing. Seine Finger hatten die Münze umklammert.«
       Luc sollte einen Gegenstand mitgenommen haben, als er sich ertränken wollte? Einen Fetisch? Nein. Luc war nicht abergläubisch. Der Fremde hielt mir schon wieder seinen Flachmann hin, begleitet von einem zahnlosen Lächeln.
       »Dafür, dass er so ein Superkumpel von Ihnen war, hat er Ihnen ziemlich viel verheimlicht, oder?«

KAPITEL 7
    Das Zentralkrankenhaus von Chartres, sinnigerweise Hôtel-Dieu genannt, befand sich im hinteren Teil eines Hofs voller schwarzer Pfützen und Baumstümpfe am Rand. Das cremefarbene und braune Gebäude erinnerte entfernt an eine Schichtentorte mit Schokoladencreme-Füllung.
       Statt die Außentreppe zu

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