Das Herz der Hoelle
Mediziner zog daran und drehte ihn in meine Richtung. Ich sah Reihen von Knöpfen und Displays.
»Das ist eine ›Bypass‹-Maschine, auch Herz-Lungen-Maschine genannt. Man benutzt sie dazu, die Körpertemperatur von Patienten vor einer schweren Operation zu senken. Das Blut fließt in die Maschine, die es um einige Grad abkühlt, bevor es dem Patienten wieder infundiert wird. Man wiederholt diesen Vorgang mehrmals, bis eine künstliche Unterkühlung erreicht wird, die die Narkose erleichtert.«
Ich schrieb noch immer, ohne zu verstehen, worauf der Mann hinauswollte.
»Als Luc Soubeyras eingeliefert wurde, habe ich beschlossen, eine neuere Technik anzuwenden, die aus der Schweiz stammt. Dabei wird diese Maschine mit umgekehrter Zielsetzung benutzt: nicht um das Blut zu kühlen, sondern um es zu erwärmen.«
»Und das hat funktioniert?«
»Hundertprozentig. Als Luc Soubeyras eingeliefert wurde, betrug seine Körpertemperatur nur noch zweiunddreißig Grad. Nach drei Durchläufen hatten wir fünfunddreißig Grad erreicht. Und bei siebenunddreißig Grad fing sein Herz wieder ganz langsam an zu schlagen.«
Ich blickte von dem Notizblock auf.
»Sie wollen damit sagen, dass er während dieser gesamten Zeit … tot war?«
»Ohne jeden Zweifel.«
»Wie lange währte diese Phase?«
»Schwer zu sagen. Aber im Allgemeinen dauert sie etwa zwanzig Minuten.«
Ich erinnerte mich wieder an ein Detail.
»Der Rettungswagen war sehr schnell zur Stelle. Kam das Team nicht aus Chartres?«
»Ein weiterer positiver Faktor. Sie befanden sich aufgrund eines falschen Alarms in der Gegend von Nogent-le-Rotrou. Als die Polizei sie verständigte, waren sie nur ein paar Minuten vom Unfallort entfernt.«
Ich kritzelte zwei Zeilen aufs Papier.
»Eine Sache verstehe ich nicht. Das Gehirn kann doch nur wenige Sekunden ohne Sauerstoff auskommen. Wie konnte das Organ nach zwanzigminütigem Tod wieder zum Leben erweckt werden?«
»Das Gehirn hat seine Reserven angezapft. Meiner Meinung nach war es während des gesamten klinischen Todes ausreichend mit Sauerstoff versorgt.«
»Heißt das, dass Luc, falls er wieder aufwacht, keine Folgeschäden haben wird?«
Der Mann schluckte. Sein Adamsapfel stieg auf und ab:
»Diese Frage kann niemand beantworten.«
Luc im Rollstuhl, dazu verdammt, alle Bewegungen nur noch im Schneckentempo auszuführen. Ich musste wohl aschfahl geworden sein, denn der Arzt schlug mir sanft auf die Schulter.
»Kommen Sie. Die Hitze hier ist unerträglich.«
Der kühle Wind draußen weckte meine Lebensgeister wieder. Die älteren Patienten waren mit dem Mittagessen fertig. Sie schlenderten stockend umher wie Zombies. Ich fragte:
»Darf ich rauchen?«
»Kein Problem!«
Der erste Zug brachte mich wieder auf die Beine. Ich kam zum letzten Punkt:
»Man hat mir von einer Münze und einer Kette erzählt …«
»Wer hat Ihnen davon erzählt?«
»Der Gärtner. Der Mann, der Luc aus dem Wasser gezogen hat.«
»Die Rettungssanitäter haben sie in seiner geschlossenen Faust gefunden, das stimmt.«
»Haben Sie sie aufgehoben?«
Der Arzt ließ die Hand in seinen Kittel gleiten.
»Ich habe die Münze in meiner Tasche.«
Das Schmuckstück glänzte matt in seiner hohlen Hand. Eine mit Patina überzogene Bronzemünze, die sehr alt zu sein schien. Ich beugte mich vor. Ich wusste auf den ersten Blick, worum es sich handelte.
In die Münze war das Bildnis des Erzengels Michael eingraviert, des Anführers der himmlischen Heerscharen und Bannerträgers Christi, der Satan drei Mal besiegte. Dargestellt im Stil der Legenda Aurea von Jacobus de Voragine, trug der Held eine Rüstung und hielt sein Schwert in der Rechten und die Lanze Christi in der Linken. Mit seinem rechten Fuß zermalmte er den Drachen.
Der Medikus sprach weiter, aber ich hörte ihm nicht mehr zu. Die Worte aus der Offenbarung des Johannes hallten in mir wider:
Da entbrannte im Himmel ein Kampf; Michael und seine Engel erhoben sich, um mit dem Drachen zu kämpfen. Der Drache und seine Engel kämpften, aber sie konnten sich nicht halten, und sie verloren ihren Platz im Himmel.
Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde
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