Das Herz der Hoelle
fasste nach:
»Gehen Sie dorthin? Ich hab dort ebenfalls etwas zu tun.«
Er musterte mich mit finsterem Blick vom Kopf bis zu den Füßen.
»Wer sind Sie?«
»Ich bin Polizist. Ich ermittle in einem Fall offiziell anerkannter Wunderheilung.«
»In welchem?«
»Agostina Gedda. August 1984.«
»Sie werden niemanden finden, der mit Ihnen über Agostina spricht.«
»Dabei bin ich hierhergekommen, um mir ein abschließendes Bild zu machen. Ich will Monsignore Perrier und den Arzt, der Agostina betreut hat, befragen.«
Der Mann verzog das Gesicht. Seine Knochen bewegten sich unter seiner Haut:
»Niemand wird Ihnen das Entscheidende sagen.«
»Nicht einmal Sie?«
Der Mann kam näher. Seine Soutane roch modrig:
»Satan. Agostina wurde vom Satan gerettet.«
Noch so ein Liebhaber von Teufelsgeschichten. Genau das, was ich brauchte. Ich entgegnete in ironischem Ton:
»Der Teufel in Lourdes: Da gibt es doch einen Interessenkonflikt, oder?«
Der Priester schüttelte langsam den Kopf. Sein Lächeln wurde breiter und drückte eine Mischung aus Verachtung und Verblüffung aus:
»Ganz im Gegenteil. Der Teufel kommt hierher, um neue Anhänger zu werben. Schwäche, Verzweiflung: Da ist er in seinem Element. Lourdes, das ist der Markt der Wunder. Die Menschen hier sind bereit, alles zu glauben.«
»Wer hat Agostina betreut?«
»Dr. Pierre Buchholz.«
»Arbeitet er noch immer im Medizinischen Büro?«
»Nein. Er ist in Rente. ›Man‹ hat ihn in Rente geschickt.«
»Warum?«
»Für einen Polizisten haben Sie eine etwas lange Leitung. Er hat es aus nächster Nähe miterlebt, verstehen Sie? Er wurde lästig.«
»Wo finde ich ihn?«
»An der Straße nach Tarbes. Nehmen Sie die D507. Unmittelbar vor der Ortschaft Mirel ein großes Haus aus schwarzem Holz.«
»Danke.«
Ich ging um ihn herum. Er hielt mich am Arm fest.
»Sehen Sie sich vor! Sie sind nicht der Einzige auf diesem Weg.«
»Was soll das heißen?«
»Auch sie kommen hierher.«
»Wer?«
»Sie suchen Personen, die durch den Teufel geheilt wurden. Sie sind gefährlicher als alles, was Sie sich vorstellen können. Sie haben Vorschriften, Befehle.«
»Wer lauert hier? Wer hat Befehle?«
»In der Finsternis gibt es mehrere Fronten. Diese da haben einen Auftrag.«
»Was für einen Auftrag?«
»Sie müssen sein Wort sammeln. Sie haben kein Buch, verstehen Sie?«
»Ich verstehe kein Wort von dem, was Sie sagen. Von wem sprechen Sie, verflixt nochmal?«
Er sah mich mitleidig an.
»Sie haben keine Ahnung. Sie tasten sich wie ein Blinder vorwärts.«
Dieser Pfaffe begann mir auf die Nerven zu gehen.
»Danke für die aufmunternden Worte.«
»Geben Sie es auf. Sie bewegen sich auf ihrem Territorium!«
Mit diesen Worten eilte er an mir vorbei auf den Fußweg und tauchte in den Schatten der Bäume ein. Ich blieb einige Sekunden stehen und sah, wie seine gräuliche Soutane verschwand. Ich hatte seine Warnung nicht richtig verstanden, aber einer Sache war ich mir sicher: Der Unbekannte hatte, ohne es zu wissen, von den Killern gesprochen, die hinter mir her waren.
Männer, die ebenfalls die Lichtlosen suchten und die bereit waren, jeden Konkurrenten aus dem Weg zu räumen.
KAPITEL 73
Der Priester hatte nicht gelogen.
Dreihundert Meter vor Mirel stand das Holzhaus. Etwas zurückgesetzt von der Straße, fiel es in dieser trostlosen Landschaft nicht aus dem Rahmen. Es lag am Fuß kahler Hügel und war von nackten Bäumen und schwärzlichen Feldern umgeben.
Ich parkte vor dem Tor und zog an der Gartenglocke. Ein Hund begann zu bellen, dann war es wieder still. Der Lattenzaun überragte mich, sodass ich nichts sehen konnte. Ich wollte mich schon damit abfinden, als ich das Zuschlagen einer Fensterscheibe hörte.
Schritte auf dem Kies, das Japsen des Hundes. Die Tür ging auf. Mir war sofort klar, dass Dr. Pierre Buchholz die Liste der schrägen Vögel, denen ich bislang begegnet war, anführen würde. Er war groß und kräftig, trug ein Jackett mit Hahnentrittmuster und Ellbogenschützern und eine schwarze Wollhose. Er war an die sechzig, hatte eine hohe Stirn und eine Glatze, die ihm das Aussehen eines großen grauen Kieselsteins verlieh. Er trug einen gestutzten Vollbart.
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