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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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dagegen war eine andere Geschichte.
       Innerhalb weniger Tage vom Wundbrand genesen: Das war etwas Konkretes. Das Taxi hielt an. Wir waren in Fiumicino angekommen. Ich bezahlte den Fahrer. Abfertigungsgebäude. Schalter. Es gab nur einen Ort auf der Welt, an dem nachzuvollziehen war, was sich in einer Augustnacht des Jahres 1984 im Körper Agostinas ereignet hatte.
       Die Frau hinter dem Schalter lächelte mich an:
       »Wohin möchten Sie fliegen?«
       »Nach Lourdes.«
       Von Rom aus gab es regelmäßige Flüge in die Marienstadt, da jedoch die Hochsaison vorbei war, ging heute Abend kein Flug mehr. Der nächste Flieger startete am nächsten Morgen um 6.15 Uhr. Ich kaufte ein Ticket für die Business-Klasse und machte mich dann auf die Suche nach einem Hotel.
       Ich fand eine Schlaffabrik innerhalb des Flughafens, ganz in der Nähe des Rollfelds. Gänge, fensterlose Zimmer. Spartanisch eingerichtet mit einem Bett und einer Uhr. Eine Duschkabine in einer Ecke.
       Ich verschloss die Tür und ließ mich angezogen aufs Bett fallen. Meine Kleider waren klebrig von Schweiß, zerknittert und zerrissen. Ich schloss die Augen. Das Dröhnen der Flugzeuge über dem Gebäude drang durch die Mauern in meinen Schädel.
       Ein Messer bahnte sich einen Weg durch die Menge, auf dem Wendelgang von Giuseppe Momo. Es drang in einen fleischigen Arm unmittelbar vor mir. Als das Blut herausspritzte, fuhr ich zusammen. Ich blinzelte. Zu wem gehörte dieser Arm? Wer war der fettleibige Komplize Cazeviels, der mir schon zwei Mal, in Catania und im Vatikan, den Weg versperrt hatte? Es kam so weit, dass ich geradezu auf einen weiteren Angriff hoffte.
       Reflexartig umklammerte ich meine Glock. Mein Körper entspannte sich. Halbschlaf. Die Stimme von Luc: »Ich habe den Schlund gefunden.« – »Auch ich«, antwortete ich ihm im Geist, »habe ihn gefunden.« Zumindest kannte ich seine Existenz. Aber wie sollte ich mich ihm nähern?
       Ich dämmerte langsam weg. Jetzt schwebte ich in einem finsteren Gang. Ein Labyrinth unter der Erde. Ein rotes Fanal leuchtete schwach. Ich streckte die Hand aus. Eine Stimme erklang. Es war die sanfte, verführerische Stimme von Agostina Gedda.
        Lex est quod facimus.
       Gesetz ist, was wir tun.

KAPITEL 72
    Gemessen an seiner Legende machte Lourdes eine blasse Figur. Von Hügeln umgeben, um spitze Felsen herum erbaut, war der Marienwallfahrtsort ein kleines Nest. Alles drängte sich um einen Fluss, der eher einem Bach glich. Trotz der Basilika der Unbefleckten Empfängnis, die ihren hohen Glockenturm steil in den Himmel reckte, trotz der modernen, wuchtigen Kirchen und Kapellen schien das Kostüm zu eng für die Rolle zu sein. Man hatte hier Gotteshäuser angehäuft, ohne die Baufläche auszuweiten. Lourdes war wie ein Frosch, der einen Ochsen verschlungen hatte.
9 Uhr
    Ich war schon einmal hier gewesen, als Jugendlicher auf Klassenfahrt – Sèze ist nur wenige Kilometer von Lourdes entfernt. Das war das letzte Mal gewesen. Ich verachtete diese lauten, marktschreierischen Orte, wo der Aberglaube genauso stark ist wie der Glaube. Ich überließ die Gegenden, in denen sich Wunder ereigneten, den Einfaltspinseln, den naiven Christen, den Verzweifelten. Ich hätte dieses Urteil niemals laut ausgesprochen, aber gegenüber diesen Wallfahrtsstätten hatte ich ungefähr die gleiche Einstellung wie der Cineast gegenüber den Filmen, die Samstagabends im Fernsehen liefen.
       Es war der 1. November. Auf den Parkplätzen am Stadtrand standen Dutzende von Bussen mit Nummernschildern aus ganz Europa. Allerheiligen war der letzte Feiertag vor dem Ende der Saison. Schwanengesang.
       Ich stellte meinen Mietwagen – wieder einen Audi – ab und begann mit dem Aufstieg. Die Straßen verliefen in endlosen Kurven und enthüllten eine bizarre Stadt, die von Luftströmungen durchzogen wurde. Überall waren Brunnen und Wasserhähne zu sehen, wie in einem Kurort, aber auch Altäre und Statuen. Man konnte den heiligen Charakter des Ortes nicht vergessen.
       Vor allem die Auslagen der Geschäfte quollen über von Souvenirs. Madonnenstatuen, Figuren der heiligen Bernadette mit ihrem blauen Gürtel und den beiden gelben Rosen an den Füßen, Christusfiguren mit Augen, die auf und zu gingen, je nachdem, ob man sich näherte oder entfernte. Und natürlich alle Produkte, die von der Quelle stammten. Flaschen mit Lourdes-Wasser, mit Lourdes-Wasser gefüllte Bonbons,

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