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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Bewegung.
       »Nein. Sobald ein Verdacht auf Hysterie oder eine psychosomatische Erkrankung besteht, sondern wir den Fall aus.«
       »Was ist es dann?«
       »In meinen fünfundzwanzig Jahren Erfahrung damit«, sagte er mir leiser, »habe ich mir meine Meinung gebildet.«
       »Ich höre.«
       »Es ist eine Frage der Anrufung und der Energie. Hinter jedem Wunder steht eine Anrufung, die Lourdes und dem Wasser vorausgeht. Ein Gebet. Eine Hoffnung. Manchmal die einer Familie. Manchmal die eines ganzen Dorfs. Diese Menschen bündeln eine gewaltige Liebesenergie, die wie ein Magnet wirkt. Diese Kraft zieht eine höhere Macht kosmischer Größenordnung, aber gleicher Natur an. Diese wohltätige Macht heilt. Genauso gut könnte man sagen, dass die Anrufung von Gott erhört wird.«
       Nichts Neues unter der Sonne. Ich versetzte:
       »Hinter jedem Wallfahrer steht immer ein Gebet, eine Hoffnung.«
       »Einverstanden. Auch ich kann nicht erklären, nach welchen Kriterien Gott auswählt. Warum dieser Mensch und nicht jener? Ab und zu jedenfalls funktioniert der Magnet. Das Gebet löst den … göttlichen Magnetismus aus.«
       »Das Wasser der Quelle spielt also gar keine Rolle?«
       »Vielleicht die eines Leiters«, räumte er ein. »Die Energie, von der ich spreche, lässt sich vielleicht mit einem elektrischen Strom vergleichen, der durch das Wasser von Lourdes geleitet wird. Sind Sie Christ?«
       »Praktizierender Christ.«
       »Sehr gut. Dann verstehen Sie, wovon ich spreche. Diese Kraft ist kein Wunder, keine übernatürliche Energie. Heute neigen selbst die bedeutendsten Astrophysiker immer mehr dieser Meinung zu. Was existiert hinter den Atomen? Was richtet sie aus und ordnet sie? Wir kennen die vier Grundkräfte, die die Entstehung des Universums steuerten: die zwei Kernkräfte, die ›starke‹ und die ›schwache‹, die Gravitation und die elektromagnetische Kraft.
       Möglicherweise gibt es noch eine fünfte Kraft: den Geist. Immer mehr Wissenschaftler äußern die Hypothese, dass diese Kraft für die Organisation der Materie verantwortlich ist. Für mich ist dieser Geist die Liebe. Was ist unglaublich an der Vorstellung, dass diese Kraft hin und wieder einen von uns erkennt? Sich bündelt, um einem einfachen Sterblichen zu Hilfe zu kommen?«
       Es war an der Zeit, auf den Kern der Sache zu kommen.
       »Ist das auch Agostina widerfahren?«
       Er richtete sich unvermittelt wieder auf.
       »Nein, keineswegs. Nicht diese Kraft hat die Kleine gerettet.«
       »Gibt es denn noch eine andere?«
       Ein Lächeln erhellte das Gesicht des Schwärmers.
       »Eine korrumpierte Version. Eine negative Kraft. Das Böse. Agostina Gedda wurde vom Teufel gerettet.« Er bewegte den Zeigefinger drohend hin und her. »Und Achtung: Ich habe es immer gewusst! Ich habe ihre Bosheit schon erkannt, bevor sie ihren Mann kaltmachte.«
       Ich enthielt mich jedes Kommentars. Es genügte, das Folgende abzuwarten. Buchholz strich sich über die Stirn:
       »Ihre Wallfahrt nach Lourdes blieb erfolglos. Das war unverkennbar. Eine Heilung erfolgt immer augenblicklich oder in den Tagen nach dem Tauchbad. Bei Agostina ist nichts geschehen. Der Wundbrand hat sich weiter ausgebreitet.«
       »Haben Sie Agostina betreut?«
       »Die Kleine hat mich fasziniert. Vor dem Besuch der Heilbäder ist das Abhorchen im Medizinischen Büro zwingend vorgeschrieben. Dieses elfjährige Kind in seinem Rollstuhl, das bei lebendigem Leib verfaulte: Das hat mich erschüttert. Im Monat darauf, im Juli, bin ich zu ihr hingefahren, um die Diagnose zu überprüfen. Es gab keine Hoffnung mehr.«
       »Trotzdem ist Agostina einige Wochen später wieder gesund geworden.«
       »Der Teufel hat gehandelt, als die Kleine im Koma versunken ist.«
       »Woher wissen Sie das?«
       Abermals Schweigen, wieder strich er sich mit der Hand über die Stirn.
       »Seit ihrer Abreise war ich argwöhnisch.«
       »Wieso?«
       Er schnaufte, als müsse er zu einer sehr ausführlichen Erklärung ausholen.
       »Ich sage es Ihnen noch einmal: Ich habe das Medizinische Büro fünfundzwanzig Jahre lang geleitet. Ich kenne das Räderwerk der Stadt, und ich weiß, was hinter den Kulissen läuft. Die Vereine, die Wallfahrten organisieren. Einige von ihnen haben einen schlechten Ruf.«
       Ich dachte an Unital6. Ich nannte diesen Namen. Buchholz stimmte mir zu:
       »Es gab

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