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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Mitten in der verzerrten Miene saßen zwei durchdringende, glühende Augen. Die Augen eines Inquisitors, der seinen prasselnden Scheiterhaufen betrachtete.
       »Worum geht es?«, rief er.
       Er sprach, als wäre ich zehn Meter von ihm entfernt. Tatsächlich war ich so nah, dass ein Regen von Speicheltröpfchen auf mich niederging. Ich erklärte ihm den Grund meines Besuchs. Er hielt sich mit theatralischer Geste am Türrahmen des Portals fest und murmelte dann, wobei er sich mit der anderen Hand über die Brust fuhr.
       »Agostina … diese Tragödie …«
       Ich machte einen Bogen um den Hund – ein Furcht einflößender kurzhaariger Wachhund – und folgte dem Mediziner in sein Domizil. Das schwarze Haus wies zahlreiche große Fenster auf, die schlecht verfugt waren. Das Ganze erinnerte eher an ein Wohnmobil als an ein fachmännisch errichtetes Holzhaus.
       Buchholz blieb stehen, um seine Schuhe auszuziehen und in Filzpantoffeln zu schlüpfen. Ich bot an, ebenfalls meine Schuhe auszuziehen. Die Idee schien ihm zu gefallen, aber dann änderte er seine Meinung und nahm mir nur den Regenmantel ab. In der Diele gab es einen Schirmständer, Kleiderhaken für die Mäntel sowie alles, was der vollendete Jäger benötigt: Stiefel, Regenumhang, Filzhut. Das Gewehr durfte nicht weit sein.
       Der Arzt bat mich ins Wohnzimmer. Als ich es betrat, war ich erschlagen von der überladenen Einrichtung: schwarzes Holz auch hier, aber vor allem zahllose Nippsachen, Madonnen-, Christus- und Heiligenfiguren. Rosenkränze, die in Glasschränken ausgestellt waren. Kreuze, Becher und Kerzen auf jedem Möbelstück. Vom erloschenen Kamin her der Geruch von kaltem Rauch.
       »Setzen Sie sich.«
       Diese Aufforderung duldete keine Widerrede. Der Hund war uns gehorsam gefolgt. Er schien die volltönende Stimme seines Herrchens gewohnt zu sein. Ich schlängelte mich vorsichtig durch die Fülle der Objekte und ließ mich auf dem Sofa gegenüber der Fenstertür nieder. Buchholz beugte sich zu einem Servierwagen hinunter, der von Flaschen klirrte:
       »Möchten Sie etwas trinken? Ich habe Chartreuse, Kirschlikör, von den Dominikanern hergestellt, Calvados von den Patres der Kapelle von Montligeon und ausgezeichneten Schnaps …«
       »Danke. Es ist für mich etwas zu früh.«
       Ich entdeckte einen Katechismus von 1992 auf einem niedrigen Tisch, ein Hinweis darauf, dass ich es nicht mit einem aufgeschlossenen, modernen Christen zu tun hatte. Er ließ sich in einen Sessel mir gegenüber fallen und legte dann seine Hände auf seine Knie.
       »Was wollen Sie wissen?«
       Ich beschloss, mich langsam vorzutasten:
       »Zuerst hätte ich gern Ihre allgemeine Ansicht gehört.«
       »Worüber?«
       »Das Phänomen des Wunders. Wie erklären Sie es?«
       Er stieß einen Seufzer aus, der die Scheiben vibrieren ließ:
       »Sie verlangen von mir, fünfundzwanzig Jahre meines Lebens und fünfzig Jahre Glauben in wenigen Worten zusammenzufassen!«
       »Aber gibt es eine wissenschaftliche Erklärung?«
       »Glauben Sie mir, als Mediziner würde ich gern verstehen, was dabei geschieht. Ich habe so viele Fälle gesehen …«
       Ich sah mich nach einem Aschenbecher um. Vergeblich. Ich konnte mir die Mühe sparen, ihn zu fragen, ob ich rauchen durfte. Der Duft von Wachs und Reinigungsmitteln, der sich mit dem Kamingeruch vermischte, verriet den Sauberkeitsfanatiker. Buchholz fuhr fort:
       »Es heißt immer, die Kirche hätte offiziell etwa sechzig Wunder anerkannt, aber das ist nur ein Teil der Heilungen, die das Medizinische Büro erfasst hat! Wie viele Wunder hat man Ihres Erachtens seit den Marienerscheinungen gezählt?«
       »Ich weiß es nicht.«
       »Nennen Sie eine Zahl.«
       »Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Fünfhundert?«
       »Sechstausend. Sechstausend Fälle von Spontanremission, ohne dass es die geringste Erklärung dafür gibt.«
       »Ist das auf die Wirkung des Wassers zurückzuführen?«
       Er verneinte entschieden. Er schien voll aggressiver Ressentiments zu sein. Er erinnerte mich an einen aus der Kirche ausgetretenen Priester beziehungsweise einen degradierten Offizier.
       »Das Wasser ist wirkungslos«, antwortete er. »Es wurde analysiert, und es wurde nichts gefunden.«
       »Der spirituelle Einfluss des Ortes? Ein psychischer Vorgang?«
       Mit seiner großen, fleckigen Hand machte er eine wegwerfende

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