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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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seine Weise, einer unerbittlichen Logik. Ich fragte:
       »Haben Sie mit irgendjemandem über Ihre Erkenntnisse gesprochen?«
       »Mit allen. Die unverhoffte Genesung Agostinas ist kein Wunder. Es ist ein Skandal, im etymologischen Sinne des Wortes. Vom griechischen skandalon: Hindernis. Ein Gräuel. Agostina ist, für sich allein genommen, eine Fessel für die Liebe. Der physische Beweis für die Existenz des Teufels! Ich habe es allen gesagt, die es hören wollten. Daher meine vorzeitige Pensionierung. Selbst unter Christen empfiehlt es sich nicht, jede Wahrheit auszusprechen.«
       Seine Argumentation klang hieb- und stichfest, aber Buchholz war vor allem ein Original, das von seinen Hypothesen überzeugt war. Mich aus den Augenwinkeln beobachtend, schien er meine Skepsis zu wittern. Er fuhr fort:
       »Ich kenne noch einen weiteren Fall. Ein kleines Mädchen, das noch länger in der Vorhölle geblieben ist.«
       Ich hielt den Atem an.
       »Eine grauenhafte Geschichte«, fuhr er fort. »Die Kleine hat über eine Stunde keinerlei Lebenszeichen mehr von sich gegeben!«
       Ich zog mein Notizbuch heraus:
       »Ihr Name?«
       Pierre Buchholz öffnete den Mund, schwieg aber. Jemand hatte gegen die Scheibe geklopft.
       Eine Sekunde lang verharrte er reglos, dann fiel er vornüber auf den niedrigen Tisch.
       Sein Rücken war blutüberströmt.
       Ich warf einen Blick zur Glastür. Ein Einschussloch, drum herum Risse in Form einer Zielscheibe. Ich warf mich zu Boden. Es machte wieder »Plopp«. Der Schädel des Hundes zerplatzte. Sein Gehirn spritzte aufs Sofa. Im gleichen Moment sackte der Körper von Buchholz zu Boden, wobei er die Sammlung von Fatima-Bierkrügen auf dem niedrigen Tisch mit sich riss.
       Die von Mönchen gebrannten Spirituosen spritzten umher. Die Marien- und Bernadette-Statuetten wurden pulverisiert. Die Kerzen, die Pauken, die Vitrinen wurden zerschmettert. Ich kroch unter den niedrigen Tisch. Das Haus schien einzustürzen. Die großen Glasfenster zersplitterten. Die Sessel, das Sofa und die Kissen tanzten umher und wurden dabei völlig zerfetzt. Kommoden und Schränke brachen, aufgerissen, zusammen.
       Ich dachte: »Sniper. Schalldämpfer. Der zweite Killer.« Wir würden endlich miteinander abrechnen. Dieser Gedanke flößte mir unverhofft Energie ein. Einen Blick auf die zersplitterte Fensterscheibe riskierend, schätzte ich den Schusswinkel des Angreifers ab. Er musste auf dem Hügel hinter dem Haus stehen. Ich verfluchte mich selbst: Wieder einmal hatte ich meine Knarre nicht mitgenommen. Und ich konnte mich nicht mehr ohne Deckung bis zum Auto vorwagen.
       In gebückter Haltung dem Kugelhagel ausweichend, verließ ich mein Versteck und schlich in die Küche, die gleich links lag. Ich griff kurz entschlossen nach dem größten Messer, das ich finden konnte, und erspähte eine Hintertür.
       Ich machte einen Satz hinaus, in Richtung der Felder, bereit für das Duell.
       Ein lächerliches Duell.
       Ein Scharfschütze gegen einen Metzger.
       Ein Sturmgewehr gegen ein Küchenmesser.

KAPITEL 74
    Ich robbte durch den Garten und behielt die Anhöhe im Auge. Der gut getarnte Killer war natürlich nicht zu sehen und auch kein verräterischer Lichtreflex des Zielfernrohrs, denn heute bestehen optische Visiere aus Polymeren, und das Präzisionsglas im Zielfernrohr ist dunkel. Dennoch suchte ich nach einem Anzeichen, einem Indiz und musterte eingehend jedes Dickicht und jeden Strauch auf dem Hügel.
       Nichts.
       In einem tiefen, uneinsehbaren Graben begann ich, mich ins hohe Gras duckend, mit dem Aufstieg. Alle fünfzig Schritte kletterte ich die Böschung des Grabens hinauf und beschattete meine Augen mit der Hand. Noch immer nichts. Der Schütze hatte sich zweifellos unter einer mit Zweigen und Ästen überzogenen Tarnmatte versteckt. Vielleicht hatte er sich sogar, wie die Heckenschützen in Sarajewo, einen Schusskorridor von mehreren Metern freigemacht …
       Ich kletterte weiter. Über mir schaukelten Zypressen sanft im Wind. Plötzlich, während ich mich noch immer umsah, blitzte es irgendwo auf. Es war ein flüchtiger, ganz schwacher Lichtblitz. Ein metallisches Funkeln im Sonnenlicht. Ein Ring, ein Gliederarmband, ein Schmuckstück. Ich ging schneller und hob die Füße an, um meine Bewegungsgeräusche zu dämpfen. Ich dachte nicht mehr nach, analysierte nicht mehr. Ich war nur noch eine Kampfmaschine, konzentriert

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