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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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präzise und barbarisch, aus dem ich ausgeschlossen war. Ich passte mich an ihr Schlingern an und spürte, wie in mir die gleiche Lust an der Suche, die gleiche Beharrlichkeit aufstieg. Wir stimmten uns aufeinander ein, in unserem Bemühen, dem anderen das zu entwenden, was er für unseren Genuss bereithielt.
       Alles wurde schneller. Unsere Lippen zerquetschten einander, unsere Finger verhakten sich. Der Höhepunkt war da, nur einen Hauch entfernt, irgendwo in unserem Unterleib. Leib an Leib, schwankten, suchten und sondierten wir. Sie saß noch immer rittlings auf mir und verkeilte sich mit den Fersen im Bettzeug, jegliche Scham, jegliche Zurückhaltung war längst vergessen – und ich wusste, dass dies der einzige Weg war, um zum Höhepunkt zu kommen. Diese tektonische Verdrehung unserer Körper, dieses wütende Reiben an den Feuersteinen unserer Geschlechtsteile, bis der Funke endlich übersprang – nur darum ging es jetzt.
       Plötzlich bäumte sie sich auf. Da packte ich sie an ihren Haaren und zog sie zu mir. Ein Schwung noch, ein Millimeter, und ich wäre glücklich. Ihre Brüste kehrten kraftvoll zurück und schwangen wie Glocken dicht über meinem Gesicht. Plötzlich schlug ein Funken aus den Steinen. Die Glut ballte sich und schoss wie ein elektrischer Strom durch meine Gliedmaßen. Noch ein Sekundenbruchteil. Ich stieß ihren Oberkörper zurück und verschlang sie zum letzten Mal mit den Augen: hochgerissene Arme, schwellende Brüste, angespannter Bauch, Reispapier, schwarzer Schamberg …
       Die Glut schoss durch mein Geschlecht.
       In dieser Sekunde war ich wie vernichtet.
       Doch schon im nächsten Moment war ich wieder ich. Die Ekstase war verklungen. Aber ich fühlte mich wie neugeboren und gereinigt. Ich versank in Trübsinn. Beschämung. Klare Gedanken. Ich dachte an die Lüge meiner letzten fünfzehn Jahre. Die ausschließliche Liebe zu Gott. Die Barmherzigkeit gegenüber den anderen. Der Sex, der exotischen »kleinen Spielkameradinnen« vorbehalten war. Frommer Selbstbetrug … Mein männliches Begehren, das unter meiner christlichen Liebe weiterschwelte. Ich verübelte es Manon fast, dass es ihr gelungen war, mit wenigen Zärtlichkeiten mein kunstvoll gearbeitetes Lügengebäude zum Einsturz zu bringen. Dann schwebte ich auf einer Woge der Wärme. Ich war wieder glücklich.
       »Alles in Ordnung?«
       Aus ihrer heiseren Stimme klang Erleichterung, wohlwollende Aufmerksamkeit. Ohne zu antworten, tastete ich meine Klamotten ab, auf der Suche nach einer Zigarette. Camel. Feuerzeug. Zug. Ich ließ mich, quer übers Bett, auf den Rücken fallen. Manon legte ihren Zeigefinger auf mein Gesicht, zog die Konturen von Stirn und Nase nach. So vergingen mehrere Minuten. Das Zimmer hatte sich von einem Kühlschrank in einen Ofen verwandelt. Die Glasscheiben waren feucht beschlagen. Ich leerte meine Zigarettenschachtel auf den Nachttisch, um sie als Aschenbecher zu benutzen.
       »Lass uns ein Spiel spielen«, flüsterte sie. »Sag mir, was dir an mir am meisten gefällt …«
       Ich antwortete nicht. Ich hatte einen Flash erlebt, einen Schuss reinen Heroins. Ich spürte in mir nur noch eine grenzenlose Benommenheit, eine totale Mattigkeit.
       »Na los«, brummte sie. »Sag schon, was du an mir magst …«
       Ich stützte mich auf einem Ellbogen ab und betrachtete sie. Nicht nur ihr Körper, sondern ihr ganzes Wesen lag nackt vor mir. Die Nacht riss die Masken und auch die Gesichter herunter. Übrig blieb nur die Stimme. Und die Seele. Vorbei die aufgesetzten Mienen, die gesellschaftlichen Konventionen, die alltäglichen Lügen.
       Ich hätte ihr sagen können, dass in diesem Moment nicht der Liebhaber in mir verstört war, sondern der Christ angesichts der vollkommenen Entblößung. Es war, als hätten wir beide eine Beichte abgelegt. Gereinigt von jeder Schuld, von jedem falschen Schein. Das war das Widersinnige: Aus der Sünde des Fleischs herauskommend, waren wir so unschuldig wie noch nie.
       Das hätte ich ihr zuflüstern können … Stattdessen stammelte ich ein paar Banalitäten über ihre Augen, ihre Lippen, ihre Hände. Wörter, die so abgegriffen waren, dass sie jede Bedeutung verloren hatten. Sie lachte leise:
       »Du bist eine Null, aber das macht nichts.«
       Sie legte sich auf den Bauch und schmiegte ihr Kinn in ihre Hände:
       »Ich sag dir, was ich an dir mag …«
       Ihre Stimme war voller Dankbarkeit nicht für mich,

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