Das Herz der Hoelle
hebräischen Wurzel ›stn‹ ab: ›der Widersacher‹ oder ›Widerwirker‹. Dies wurde im Griechischen mit ›diabolos‹ übersetzt, abgeleitet von dem Verb ›diaballein‹ – verleumden, entzweien …«
Ich nickte höflich mit dem Kopf und betrachtete die Zelle des Exorzisten. Sie war lang und schmal; auf ihrer Rückseite befand sich ein halbkreisförmiges Fenster, das dem Zimmer vollends das Aussehen einer Kajüte auf einer Piraten-Galeone gab. Doch das hier war das Quartier eines Soldaten Gottes. Hier fehlte es an nichts: alte esoterische Bücher, vergilbte Papiere, das Kreuz an der Wand und über dem Schreibtisch ein kleines Bild, das eine Kreuzabnahme darstellte.
Katz fuhr mit seiner Vorlesung fort:
»Man sagt es nicht oft genug, aber der Teufel kommt im Alten Testament so gut wie nicht vor. Er fehlt hier, weil Gott, Jahwe, noch nicht vollkommen gut ist! Er steht zu dem Bösen, das er tut. Er braucht niemanden, der für seine niederen Arbeiten zuständig ist. Erinnern Sie sich an Jesaja: › Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. ‹ Erst im Neuen Testament taucht Satan auf. Dort ist er sogar allgegenwärtig. Er wird nicht weniger als 188-mal erwähnt! Jetzt ist Gott vollkommen, und man muss einen Schuldigen für das Böse auf Erden finden. Es gibt noch einen weiteren Grund. Heute würde man von einem Casting-Problem sprechen. Der Sohn Gottes ist nicht deshalb auf die Erde herabgestiegen, um es mit kleinen Fischen aufzunehmen. Er braucht einen ebenbürtigen Gegner. Ein übernatürliches, mächtiges Wesen, das abtrünnig geworden ist und seinem Gesetz Geltung zu verschaffen sucht. Das wird der Fürst der Finsternis sein. Vergessen wir nicht, dass Jesus ein Exorzist war! In den Evangelien treibt er immer wieder böse Geister aus den Körpern von Besessenen aus …«
Ich erfuhr nichts Neues, aber diese Eröffnungsrede war der Preis, den ich für die erhofften präziseren Antworten bezahlen musste. In einem abgewetzten Ledersessel sitzend, revidierte ich mein Urteil über den kleinen Pater. Heute Morgen hatte ich in ihm einen gefährlichen, fanatischen Schwärmer gesehen. Jetzt war er heiter und gutmütig. Ein leidenschaftlicher Mensch, der über Satan sprach wie Don Camillo über Jesus.
Das ganze Gesicht des alten Mannes wurde von seiner riesigen Nase beherrscht. Sie glich einer Gurke, die in der Stirn entsprang, das Gesicht spaltete und sich über den trockenen Lippen knollenartig verdickte.
Es war Zeit, zum Kern der Sache zu kommen.
»Was denken Sie über die Sitzung heute Morgen?«, fragte ich, mit einem Finger auf ihn zeigend.
Er betrachtete mich schweigend, hämisch lächelnd. Seine Augen funkelten und erhellten sein Gesicht.
»Wir haben sozusagen an einer Live-Aufführung teilgenommen. Der Live-Aufführung eines Wesens!«
»Des Teufels?«
Er beugte sich über seinen Schreibtisch:
»Die Menschen glauben heute, dass Satan nie existiert hat. In einer Welt, in der Gott nur mit Mühe überlebt, ist der Teufel zu einer bloßen Gestalt des Aberglaubens geworden. Ein Klischee aus einem anderen Zeitalter. Und Besessenheit soll Folge einer Geisteskrankheit sein.«
»Das ist doch ein Fortschritt, oder nicht?«
»Nein. Man hat das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Nur weil wir heute Hysterie diagnostizieren, bedeutet das nicht, dass der Teufel nicht mehr existiert. Nur weil unsere Industriegesellschaften diese uralte Angst beerdigt haben, ist ihr Objekt nicht verschwunden. Tatsächlich sind viele Theologen der Ansicht, dass der Antichrist im 20. Jahrhundert gesiegt hat. Es ist ihm gelungen, seine Anwesenheit zu verschleiern. Er hat sich ins Räderwerk unserer Gesellschaft eingeschlichen. Er ist überall, das heißt nirgends. Aufgelöst, integriert, unsichtbar. Er ist lautlos und unmerklich auf dem Vormarsch, und er war noch nie so mächtig wie heute!«
Katz schien von seinen eigenen Worten fasziniert. Ich kehrte zu meinem Thema zurück.
»Hat uns Lucs Erfahrung also einen flüchtigen Blick auf ein reales Wesen gewährt?«
»Ja. Der Teufel, der echte Teufel, ist uns heute Morgen erschienen. Ein böses, feindseliges, grausames Wesen, ein Lehrer des Abfalls vom Glauben, der sich in jeder Seele regt. › Das unreine Tier, das sich in unserem Innern versteckt. ‹ Im Todeskampf hat Luc Soubeyras sich ihm angenähert. Er hat es gesehen und ihm
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