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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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zugehört. Er ist jetzt von ihm durchdrungen, besessen im wahrsten Sinn des Wortes.«
       »Und was halten Sie von der Kreatur, die ihm erschienen ist? Diesem alten Mann mit leuchtenden Haaren? Was soll diese Erscheinung?«
       »Der Teufel ist Lüge, Trugbild und Illusion. Er nimmt unterschiedlichste Erscheinungsformen an, um uns besser in die Irre zu führen. Wir dürfen nicht bei dem stehen bleiben, was unsere Augen sehen und unsere Ohren hören. Paulus ermahnt uns: › Zieht die Rüstung Gottes an, damit ihr den listigen Anschlägen des Teufels widerstehen könnt.‹«
       Man konnte diesen wandelnden Zitatenschatz nicht stoppen. Ich nahm Schwung und stellte die einzige Frage, die mich in diesem Moment wirklich interessierte:
       »Am Ende der Sitzung, als Luc geschrien hat, sprach er Aramäisch, oder?«
       Katz lächelte wieder. Ein Lächeln, das Jugendlichkeit ausstrahlte.
       »Natürlich. Biblisches Aramäisch. Das Aramäisch der Handschriften vom Toten Meer. Die Sprache Satans, als er sich in der Wüste an Jesus wandte. Dass Ihr Freund Aramäisch gesprochen hat, könnte als offizieller Beleg dafür betrachtet werden, dass er besessen war, da er diese Sprache nicht beherrscht …«
       »Er kannte sie. Luc Soubeyras hat am Institut Catholique de Paris studiert. Er hat sich mit mehreren alten Sprachen beschäftigt.«
       »Das ist das Schlimmste, was uns passieren kann. Eine unsichtbare Besessenheit, ohne Symptom, ohne äußeres Anzeichen, vollkommen … integriert!«
       »Haben Sie den Sinn dieser Worte verstanden?«
       »›Dina hou be’ ovadâna ‹.Wörtlich übersetzt: ›Das Gesetz liegt in unseren Taten.‹«
       »›Gesetz ist, was wir tun‹, könnte das passen?«
       »Ja, aber im Aramäischen gibt es kein Präsenz. Es wäre sozusagen ein allgemeines Präsenz.«
       Der Satz Agostinas. Der Satz des Hölleneids. GESETZ IST, WAS WIR TUN. Die völlige Freiheit des Bösen zum Gesetz erhoben. Weshalb wiederholte Luc diese Worte? Wieso kannte er sie? Hatte er sie wirklich im Innern des Nichts gehört? Jedes neue Element verstärkte die Logik des Unmöglichen.
       »Letzte Frage«, sagte ich, wobei ich meine Worte sorgsam abwog. »Haben Sie vor dem Experiment heute Morgen mit Luc gesprochen?«
       »Ja, er hatte mich angerufen.«
       »Hat er Sie darum gebeten, eine Teufelsaustreibung bei ihm vorzunehmen?«
       Er winkte ab:
       »Nein, im Gegenteil.«
       »Im Gegenteil?«
       »Er schien, wie soll ich sagen, mit seinem Zustand zufrieden zu sein. Er beobachtet sich selbst, verstehen Sie. Er ist der Schauplatz einer Erfahrung. Der Zuschauer seiner eigenen Verdammnis. Lux aeterna luceat eis, Domine! «

KAPITEL 101
    Auf der Straße checkte ich die Mailbox meines Handys. Keine Nachricht. Mist. Ich ging zurück zu meinem Auto und beschloss, direkt in meine Wohnung zu fahren. Unterwegs knarrte es jedes Mal, wenn ich schaltete. Ich latschte voll auf die Bremsen, wenn ich langsamer fahren wollte, und würgte den Motor ab, wenn ich anfahren wollte. Jedes Mal, wenn ich das Steuer nach links oder rechts einschlug, flammte der Schmerz in meiner Schulter wieder auf. Ich musste mich unbedingt ausruhen – einmal eine Nacht durchschlafen.
       Zu Hause erwartete mich eine weitere Enttäuschung. Manon schlief noch. Ich legte Pistole und Holster ab und ging in die Küche. Sie hatte ein Essen nach meinem Geschmack zubereitet. Bambussprossen, grüne Erbsen, Sojaöl, weißer Reis und Sesamkörner. Eine Thermoskanne war mit Tee gefüllt. Ich betrachtete das Geschirr und die Gedecke, die sorgfältig auf der Theke angeordnet waren: die Schüssel aus Jujubeholz, die lackierten Essstäbchen, die Schälchen, die Tasse … Unwillkürlich sah ich hinter diesen zuvorkommenden Aufmerksamkeiten eine verborgene Botschaft. Es war immer die Gleiche: »Scher dich zum Teufel.«
       Ich nahm das Essen lustlos im Stehen ein. Meine düsteren Gedanken vergingen nicht. Den ganzen Tag hatte ich mich unter Verrückten bewegt, aber ich war nicht besser als sie. Weshalb hatte ich zwölf Stunden mit unsinnigen Hypothesen vergeudet? Mich die ganze Zeit mit Lucs Visionen befasst, die letztlich nur Halluzinationen waren? Stattdessen hätte ich mich auf die konkrete Ermittlungsarbeit konzentrieren sollen: den Mörder von Sylvie Simonis finden, denn das allein zählte.
       Denjenigen finden, der Manon entlasten könnte.
       Seit meiner Rückkehr war ich damit keinen Schritt

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