Das Herz der Hoelle
Überzeugungskraft zusammen:
»Ich frage mich, ob seine Nahtod-Erfahrung nicht durch einen Dritten herbeigeführt wurde.«
»Wie das?«
»Ich stelle mir vor, dass man ihm eine Art … mentale Illusion ›eingespritzt‹ hat.«
»Auf welche Weise?«
»Sagen Sie mir nur, ob das vorstellbar ist.«
Der Neurologe nahm einen riefen Zug aus der Filterlosen und überlegte. Er schien amüsiert zu sein:
»Man kann einen Menschen natürlich immer unter Drogen setzen oder suggestive Methoden anwenden. Zucca hat das heute Morgen eindrucksvoll vorgeführt. Er hatte Lucs Bewusstsein voll und ganz unter seiner Kontrolle.«
»Außerdem ist das Bewusstsein eines Menschen, der aus dem Koma aufwacht, doch besonders leicht zu beeinflussen, nicht wahr?«
»Ja. Einige Tage lang kann der Wiederbelebte nicht zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden. Und seine Erinnerungen sind ungenau. Es ist ein totaler Brei.«
»Luc wäre also ein leichtes Opfer für eine solche Manipulation gewesen?«
»Verstehe ich Sie richtig? Ein Fremder soll sich Zutritt zu seinem Zimmer verschafft und ihm einen Cocktail halluzinogener Drogen verabreicht haben?«
»Genau.«
Thuillier zog eine ungläubige Miene.
»Das dürfte, praktisch gesehen, recht schwierig sein. Unsere Station gleicht einer Festung, sie wird rund um die Uhr überwacht. Niemand kann sich einem Patienten nähern, ohne zuvor ein Formular zu unterschreiben oder einer Pflegekraft über den Weg zu laufen.«
»Niemand bis auf einen Arzt.«
»Meinen Sie das ernst?«
»Ich denke laut nach.«
Der Neurologe drückte die Zigarette in seiner kleinen Dose aus.
»Angenommen, Sie hätten recht. Was sollte der- oder diejenige damit bezwecken? Einen Menschen, der gerade aus dem Koma erwacht ist, unter Drogen zu setzen oder zu hypnotisieren, das ist ungefähr so, als würde man ein Unfallopfer, das sich gerade von seinen Verletzungen erholt hat, in einen Abgrund stürzen. Dazu müsste man ein echter Sadist sein.«
»Aber theoretisch ist es möglich.«
Er sah mich von der Seite an.
»Sind das nur Spekulationen, oder haben Sie Indizien?«
»Ich gehe davon aus, dass die Person eine afrikanische Pflanze, Iboga, benutzt haben könnte.«
»Sie übertreiben ein bisschen. Die Iboga enthält starke psychotrope Wirkstoffe. Ihr Doktor Mabuse soll Luc unmittelbar nach dem Aufwachen aus dem Koma diese Substanz verabreicht haben, um ihm eine Nahtod-Erfahrung vorzutäuschen?«
»Wäre das möglich?«
»Schwerlich. Die Iboga verursacht schwere Nebenwirkungen. Erbrechen, Krämpfe. Luc würde sich daran erinnern. Außerdem gibt es das Problem der Verabreichung. Diese Droge wird normalerweise in Form eines Getränks eingenommen …«
»Ich habe gehört, dass es auch eine Injektionslösung geben soll.«
»Die kann nur ein Spezialist zubereiten. Man muss den Wirkstoff isolieren und aufbereiten. Außerdem ist die Iboga eine gefährliche Pflanze, ein echtes Gift. Sie hat in Afrika schon unzählige Opfer gefordert.«
Ich hob die Hand.
»Diese Frage stellt sich hier nicht. Der Täter, den ich mir vorstelle, ist ein psychopathischer Mörder. Jemand, der sich für den Teufel hält und keinerlei moralische Bedenken kennt.«
»Sie fangen an, mir Angst zu machen.«
»Stellen wir uns vor, wie er weiter vorgegangen sein könnte.
Lässt sich die Iboga mit anderen Anästhetika kombinieren?«
»Von einem Experten, ja.«
Ein Chemiker, ein Botaniker, ein Entomologe und jetzt auch noch ein Pharmakologe und Anästhesist. Und außerdem: ein Arzt, der sich unbemerkt Zutritt zur Intensivstation des Hôtel-Dieu verschaffen konnte. Mein Profil wurde immer deutlicher.
Ich fuhr fort:
»Sie stimmen meiner Hypothese also zu?«
»Sie erscheint mir an den Haaren herbeigezogen und äußerst kompliziert. Der Täter müsste mehrere Substanzen mischen: eine, um den Patienten zu betäuben, eine andere, um unerwünschte Nebenwirkungen der Iboga zu verhüten, dann der in einer flüssigen Verbindung gelöste Wirkstoff der Iboga …«
»Und außerdem noch eine Substanz, die die Empfänglichkeit für Suggestionen erhöht.«
»Wie das?«
»Während des Eingriffs erscheint der Manipulator, als Teufel geschminkt und verkleidet, dem Überlebenden. Er tritt als Figur innerhalb der
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