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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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in jener dunklen Zone ihrer Psyche liegt.«
       Ich antwortete nicht. Ich dachte an die Worte, die Manon einige Stunden zuvor auf Lateinisch aufgesagt hatte. » Lex est quod facimus … « Ich wusste nicht, was ich denken sollte.
       Corine Magnan nahm mir gegenüber Platz.
       »Ich werde Ihnen etwas anvertrauen, Mathieu. In dieser Angelegenheit tappe ich völlig im Dunkeln. Ich taste mich mühsam voran. Ich kann keine Hypothese ausschließen.«
       »Manon soll besessen sein? Das ist keine Hypothese, das ist Nonsens.«
       »Der ganze Fall Simonis ist außergewöhnlich. Die Mordmethode. Die Persönlichkeit Sylvies, eine religiöse Fanatikerin, die verdächtigt wird, ihr eigenes Kind getötet zu haben. Ihre Tochter, auf die ein Mordanschlag verübt wird, entrinnt mit knapper Not dem Tod und erinnert sich an nichts. Die Tatsache, dass der Mord, den wir aufzuklären versuchen, die exakte Kopie anderer Morde ist, die die gleiche raffinierte Handschrift tragen. Und jetzt Luc Soubeyras, der sich absichtlich ins Koma versetzt und dabei ist, seinen Verstand zu verlieren!«
       »Geht es ihm so schlecht?«
       »Schauen Sie sich ihn selbst an.«
       Ich musterte ihr Gesicht eingehend – diese Sommersprossen, die mich an Luc erinnerten. Diese milchige, trockene, mineralische Haut, die eine Art farblose Weichheit und zugleich etwas Geheimnisvolles ausstrahlte. Magnan war nicht unsympathisch – sie steckte bei ihren Ermittlungen einfach fest. Ich schlug einen anderen Ton an:
       »Wie lange wird die Vernehmung dauern?«
       »Einige Stunden. Nicht mehr. Anschließend wird der Psychiater sie untersuchen. Am späten Nachmittag ist sie wieder auf freiem Fuß.«
       »Werden Sie eine Hypnose oder etwas in der Art verwenden?«
       »Der Fall ist schon bizarr genug, wir sollten es nicht übertreiben.«
       Ich stand auf und ging mit hängenden Schultern zur Tür. Die Richterin begleitete mich ins Foyer. Dort reichte sie mir freundschaftlich die Hand:
       »Sobald wir fertig sind, rufe ich Sie an.«
       Als ich die äußere Glastür aufdrückte, durchbohrte ein Lichtstrahl mein Herz. Ich ließ die Frau im Stich, die ich liebte. Und ich wusste nicht einmal, wer sie eigentlich war.
       Sogleich schnürte mir mein Entschluss die Kehle zu.
       Ich musste mich beeilen.
       Ich musste, um jeden Preis, den »Höllengast« finden.
       Aber zunächst musste ich einen kleinen Besuch machen.
       12.15 Uhr.
       Ich gab mir eine Stunde, keine Sekunde mehr, für diesen Umweg.

KAPITEL 108
    »Es gab ein Problem.«
       »Was für ein Problem?«
       »Luc ist jetzt auf der geschlossenen Station. Er ist gefährlich geworden.«
       »Für wen?«
       »Für sich selbst und andere. Wir haben ihn in eine Einzelzelle verlegt.«
       Pascal Zuccas Gesicht war nicht mehr rot, sondern fahl. Und seine Unbekümmertheit bei unserem Gespräch am Vorabend war wie verflogen. Anspannung unter seiner erstarrten Miene. Ich fragte noch einmal:
       »Was ist passiert?«
       »Luc hatte einen Anfall. Er wurde extrem gewalttätig.«
       »Hat er jemanden geschlagen?«
       »Nein. Aber er hat sanitäre Einrichtungen demoliert. Er hat ein Waschbecken aus der Wand gerissen.«
       »Ein Waschbecken?«
       »Wir sind solche Heldentaten gewöhnt.«
       Er zog eine Zigarette aus seiner Tasche – eine Marlboro Light. Ich ließ mein Feuerzeug klacken. Nach einem Zug murmelte er:
       »Ich habe nicht mit einem so schnellen Fortschreiten gerechnet.«
       »Simuliert er vielleicht?«
       »Wenn er simuliert, dann wirklich meisterhaft.«
       »Kann ich ihn sehen?«
       »Natürlich.«
       »Wieso ›natürlich‹?«
       »Weil er Sie sehen möchte. Aus diesem Grund hat er aus seiner Zelle Kleinholz gemacht. Zuerst hat er mit der Untersuchungsrichterin gesprochen, dann hat er nach Ihnen verlangt. Ich wollte seiner Erpressung nicht nachgeben. Daraufhin hat er alles kurz und klein geschlagen.«
       Wortlos gingen wir wieder durch die lang gestreckte Zimmerflucht mit den Bullaugentüren. Zucca stakste mit mechanisch abgehackten Schritten; da war nichts mehr von dem agilen Läufer vom Vortag. Er führte mich in ein Sprechzimmer. Ein Schreibtisch, ein Bett, Arzneischränke. Zucca kurbelte am Rollo eines Innenfensters, das auf ein anderes Zimmer ging.
       »Da ist er.«
       Ich blickte zwischen den aufgestellten Lamellen hindurch. Luc saß nackt auf dem Boden,

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