Das Herz der Kriegerin
herumschnüffeln?«, wandte Saul ein. »Immerhin sind wir nicht hergekommen, um zu sterben, und Grabschändung ist eine Sünde.«
»Wir schänden ihre Gräber nicht, wir sorgen nur dafür, dass ihr Sterben ein wenig schneller geht«, gab Jared zurück. »Und wir sorgen dafür, dass Malkuth nicht Tausende Unsterbliche erschaffen kann, mit denen er die Weltherrschaft an sich reißt.«
»Ich glaube, diese Unsterblichen würden sehr bald die Nase voll haben von seiner unmöglichen Art und seiner Machtgier. Immerhin haben wir es auch nur knapp dreißig Jahre mit ihm ausgehalten.«
»Das waren andere Zeiten und wir waren andere Menschen. Für die Unsterblichkeit würden viele ihre Seele verkaufen. Und so wenig ich den Menschen den Tod wünsche, ist es doch besser, wenn diese Unsterblichen niemals erschaffen werden.«
Damit schritt Jared mit seiner Fackel voran zu einer kleinen Tür, die er an der gegenüberliegenden Wand entdeckt hatte.
Die Frage, was wohl auf der Säule geschrieben stand, quälte ihn noch immer, doch sie trat in den Hintergrund, als er den Geruch wahrnahm, der in dem schmalen Gang herrschte. Hatte er die Fäulnis zuvor vermisst, traf sie ihn hier wie ein Faustschlag.
»Bei Allah!«, raunte Malik hinter ihm.
Und das war nicht übertrieben. Der Geruch trieb selbst Jared die Tränen in die Augen. Nicht einmal in Anubis’ Keller konnte es so schrecklich riechen. Den Grund entdeckten sie wenig später. Hinter einer weiteren Tür lagen quer durch eine kleine Kammer verstreut Skelette.
Jared blieb wie angewurzelt stehen. War dies das Grab? Er konnte sich kaum vorstellen, dass die Lamien sich einfach gegen eine Wand gebettet hätten. Ashala hatte sich stets wie eine Königin verhalten – und war von Malkuth wie eine hofiert worden.
Als er sich nach einem der Skelette bückte, entdeckte er auf den Knochen Reste von Kleidung. Diese war recht grob, und abgesehen davon, dass Lamien meist wohlhabend waren und sich für ihren letzten Weg nicht solche Gewänder übergeworfen hätten, wären sie nach ihrem Tod auch zu Staub zerfallen.
»Das müssen menschliche Diener sein«, sagte er, als er sich wieder erhob. »Wahrscheinlich sind sie ihrer Herrin ins Grab gefolgt. Wie damals bei den Pharaonen.«
»Ein barbarischer Brauch«, raunte Ashar beklommen.
»In der Tat«, gab Jared zurück. »Aber wahrscheinlich hatten diese Lamien nicht auf den Komfort, den sie von früher kannten, verzichten wollen.«
Malik schüttelte sich angewidert. Mochte er schon unzähligen Bösewichtern den Tod gebracht haben, seinen Anblick ertrug er nur schlecht. »Das Blut dieser Menschen hätte sie sicher über Jahre am Leben erhalten können.«
»Auch ohne Blut überleben wir jahrelang«, gab Jared zu bedenken. »Nein, ich glaube, sie wollten weiterhin wie die Göttinnen leben, für welche die Menschen sie gehalten haben. Entweder haben sie diese Leute kurz nach ihrer Ankunft getötet oder sie sind irgendwann an Nahrungsmangel eingegangen.«
Jared wandte den Blick ab und entdeckte einen schmalen Pfad, der zu einer weiteren Tür führte. Wenn hier die Diener lagen, würden sie dort hinten die Herrinnen finden?
Die Tür führte wiederum zu einem langen Gang, in dem ihn ein merkwürdiger Windzug traf. Woher kam er und welchen Nutzen hatte er? Sollte er das Fieber der Sterbenden lindern? Den anderen, die dem Tod entgegendämmerten, anzeigen, dass eine weitere Schwester zu ihnen stieß?
Das, was sich an den langen Gang anschloss, konnte auf keinen Fall Kammer genannt werden. Es war ein großer runder Saal, dessen Decke von zahlreichen Säulen getragen wurde. Um eine glänzende schwarze Fläche, die aus demselben Stein gefertigt worden sein musste wie die Nachrichtensäule im vorderen Raum, standen zahlreiche steinerne Katafalke. Darauf lagen, in unterschiedlichen Stadien des Verfalls weiß gekleidete Körper.
»Ich fasse es nicht«, raunte Jared, während er in die Runde leuchtete. Dabei entdeckte er auch eine große Laterne. Nachdem er sie entzündet hatte, wurde ihnen klar, dass es hier Platz für etwa dreißig Lamien gab. Während einige zu Staub zerfallen waren, waren die Skelette anderer noch recht gut erhalten. Bei wiederum anderen konnte man unter der ledrigen Haut, die Jared an die ägyptischer Mumien erinnerte, noch erahnen, wie sie früher ausgesehen hatten.
»Das ist einfach unglaublich«, raunte Malik neben ihm. »Es gibt sie also doch.«
»O ja, es gibt sie«, entgegnete er und hörte Ashar fragen: »Wie viel Leben
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