Das Herz der Kriegerin
nicht.«
»Kannst du ihn nicht verstehen? Schließlich ist es nicht gerade gewöhnlich, dass jemand mit den Göttern spricht«, suchte ich ihn zu beschwichtigen, denn schon, als wir losgeritten waren, hatte ich so etwas geahnt.
»Nein, aber das Mädchen hat immerhin die Befreiung vom Joch der Engländer im Sinn. Haben die Menschen hier denn so wenig Mut, dass es sie nicht danach drängt, frei zu sein? Wenn meine Landsleute dasselbe von Saladin gedacht hätten, würde Jerusalem noch immer von christlichen Königen beherrscht werden.«
»Saladin war ein großer Feldherr und Fürst«, hielt David dagegen. »Jeanne ist nur ein scheinbar ungebildetes Bauernmädchen. Kein Wunder, dass de Baudricourt sie für eine Närrin hält.«
»Und wenn sie zeigen würde, was sie kann, würde er sie wahrscheinlich vor Gericht stellen, weil er glaubt, das wäre Hexerei«, setzte ich seufzend hinzu, worauf Sayd bedächtig nickte. »Dann muss sie eben einen anderen Fürsprecher finden«, wandte ich ein. »Gibt es in der Gegend keinen Lehnsherrn oder Fürsten?«
Sayd überlegte eine Weile. »Soweit ich weiß, nur den Fürsten von Lothringen. Doch bei ihm vorzusprechen, wäre zu vermessen.«
»Und wie sollen wir es sonst anstellen?«
»Indem wir dafür sorgen, dass er von der Jungfrau hört«, entgegnete David. »Wir könnten ein paar Gerüchte über Wundertaten streuen.«
»Damit solltest du vorsichtig sein«, warnte Sayd. »Er wird eine Probe dieser Taten verlangen und wenn sie diese nicht geben kann …«
»Es müssen ja keine Dinge sein, die sie tut, sondern Dinge, die um sie herum geschehen. Irgendwelche Wunder. Sie kann später immer noch abstreiten, die Ursache dafür gewesen zu sein, das tun echte Heilige immer.«
»Wir wollen sie nicht zu einer Heiligen machen«, gab Sayd zu bedenken.
»Das werden wir auch nicht«, entgegnete David und ich musste zugeben, dass mir die Idee gefiel. »Aber wir müssen irgendetwas tun, damit der Fürst auf sie aufmerksam wird. Und Gerüchte wehen durch die Fenster selbst der mächtigsten Burg.«
Also machten wir uns daran, mit unseren Kräften Wunder zu wirken. Meist gesundeten auf unerklärliche Weise Menschen und Vieh, mal wurde auf unerklärliche Weise jemand aus der Not gerettet. Dabei nicht in Erscheinung zu treten, war eine wahre Herausforderung für uns. Aber nach einer Weile sprach es sich tatsächlich herum, dass sich da, wo sich diese Jungfrau aus Lothringen aufhielt, unerklärliche Dinge abspielten.
Noch zweimal versuchten wir, de Baudricourt zu überzeugen, doch es nützte nichts. Immerhin war der Herzog von Lothringen, dem wir eine Nachricht in Jeannes Namen zukommen ließen, gewillt, das Mädchen zu empfangen.
Allerdings nicht, um sich ihr Anliegen anzuhören.
»Er will, dass sie ihn heilt?«, fragte ich verwundert.
»Nun ja, immerhin sind sehr viele Menschen in der Gegend gesund geworden, nachdem die Jungfrau ihren Fuß in ihre Dörfer gesetzt hat.«
Sayds Stimme klang, als wollte er sagen: Ich hatte euch gewarnt! Doch jetzt war es zu spät.
»Sollen wir ihr vielleicht etwas von unserem Blut mitgeben?«, fragte ich, denn woran konnte der Herzog schon leiden? Wahrscheinlich hatte er die Gicht oder schwärende Wunden, die sich nicht schließen wollten. Die Gicht konnte mein Blut lindern, die Wunden würden davon geschlossen werden. Doch Sayd schüttelte den Kopf. »Nein, sie sollte bei der Wahrheit bleiben. Das einzige Wunder, das sie versprechen kann, ist die Befreiung von den Engländern und Burgundern. Mehr nicht.«
»Dann sollten wir ihr genau das raten«, schlug ich vor, und da Sayd mich nicht zurückhielt, ging ich sogleich zu ihr.
Als wir nach ein paar Tagen vor der Burg des Fürsten standen, spürte ich deutlich Jeannes Aufregung. Dass Karl von Lothringen verlangt hat, sie solle ihn heilen, beunruhigte sie auch noch aus einem anderen Grund als dem, dass sie nicht über Heilkräfte verfügte.
»Bitte versprich mir, dass du mir bis zu den Gemächern des Herzogs folgst«, bat sie, als wir unsere Pferde in die Obhut der Stallburschen gaben. »Ich vermute, dass er unlautere Absichten hat und ich weiß nicht, ob ich mich gegen ihn wehren kann. Immerhin soll er ein sehr massiger Mann sein.«
»Berührt er dich, wird er es bereuen«, versprach ich ihr und tippte auf meinen Arm.
»Aber bring ihn nur nicht um! Ich will nicht, dass meinetwegen ein Leben erlischt.«
»Das wird es nicht, versprochen. Doch Angst darf ich ihm schon machen, oder?«
Jeanne lächelte mich
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