Das Herz der Kriegerin
komme!«
»Du musst es versuchen. Allein und ohne die Unterstützung hiesiger Adliger kannst du nicht reiten. Der Burghauptmann kann dir nicht nur Geleit, sondern auch ein Schreiben mitgeben, mit dem du dich legitimieren kannst. Sonst lassen sie dich gar nicht erst durch die Schlosspforte!
Das schien Jeanne einzusehen, aber glücklich war sie nicht damit. »Also gut, ich werde zu de Baudricourt reiten. Ihr begleitet mich doch, oder?«
Sayd nickte. »Ich werde dich sogar in sein Haus begleiten und sicherstellen, dass er nicht Hand an dich legt.«
»Was werden deine Eltern dazu sagen?«, fragte ich sie, ehe sie sich abwenden konnte.
»Mein Vater würde sicher androhen, mich einzusperren, deshalb sage ich ihnen nichts davon.«
»Aber sie werden sich Sorgen machen«, wandte David ein.
»Gott wird mich beschützen!«, entgegnete sie. »Ich werde die Heiligen bitten, ihnen das mitzuteilen.«
Ob das reichte? Sayd blickte zweifelnd drein, doch er machte keine Anstalten, sie davon zu überzeugen, dass es besser wäre, sich an Ihren Vater zu wenden. »Wenn es dir möglich ist, sollten wir in drei Tagen aufbrechen«, sagte er zu ihr, worauf sie nickte und sich dann lächelnd von uns verabschiedete.
»Du weißt, dass du sie damit endgültig von ihrem Elternhaus trennst«, raunte ich ihm zu, während wir ihr nachsahen.
»Es ist notwendig«, entgegnete er. »Meine Vision hat mir gezeigt, dass jetzt die beste Zeit für den Aufbruch ist. Wenn sie in ihrem Elternhaus bleibt, wird sie ihre Mission nicht erfüllen können.«
»Aber wenn wir sie von ihren Eltern entfremden, wird sie kein Zuhause mehr haben. Keine Chance auf ein normales Leben, falls es mit der Unterstützung des Königs nichts wird.«
Sayd lächelte, dann wandte er sich mir zu und legte mir die Hände auf die Schultern. »Etwas Ähnliches hat Gabriel damals über dich gesagt. Er meinte, indem wir dich zu einer der Unseren machen, nehmen wir dir die Chance auf ein normales Leben. Und ich fragte ihn daraufhin, ob du wirklich ein normales Leben gewollt hättest.«
Ich hätte jetzt anmerken können, dass es bei mir etwas anderes war. Dass ich keine Eltern mehr hatte, niemanden mehr. Aber ich wusste, worauf er hinauswollte.
»Du glaubst, sie will kein normales Leben?«
Sayd schüttelte den Kopf. »Wenn sie das gewollt hätte, hätte sie diesen Burschen heiraten und dem ganzen Ärger aus dem Weg gehen können. Aber sie wollte nicht. Sie hatte ihre Visionen und wahrscheinlich die ganze Zeit über gespürt, dass sie etwas Besonderes ist. Und dass sie dieses Besondere nicht mit Mann und Kindern am Rockzipfel erreichen kann. Es gibt Menschen, die nicht wie andere sind, das weißt du selbst am besten, Laurina.«
Ja, das wusste ich. Und wenn ich ehrlich war, gab es bisher keinen Tag, an dem ich meine Entscheidung bereut hätte. Auch Gabriels Verschwinden hatte meine Meinung nicht ändern können.
»In drei Tagen, in aller Frühe?«, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen, worauf er nickte.
»Gut, dann sollte ich mein Pferd beim Dorfschmied neu beschlagen lassen. Ich habe gestern gesehen, dass eines der Eisen locker ist und das andere ist schon furchtbar abgenutzt.«
»Das kann ich doch tun!«, rief David und klimperte mit den Hufnägeln in seiner Tasche.
Ich starrte ihn entsetzt an. »Nein, das lasse ich lieber einen Schmied machen, der auch über Feuer verfügt. Das Feuer unserer Feuerstelle ist bestimmt nicht heiß genug.«
David verzog schmollend das Gesicht, aber bei solch einer wichtigen Mission vertraute ich doch eher einem menschlichen Hufschmied als ihm.
»Sei nicht traurig«, sagte ich, ging zu ihm und zauste durch sein rotes Haar. »Du wirst mir bestimmt demnächst wieder ein Messer schmieden müssen. Deine Waffen – da gebe ich Belemoth recht – sind wesentlich besser als deine Hufeisen.«
Während der Winter die letzten Schneeflocken über das Land trieb, unfähig, dem nahenden Frühling zu widerstehen, begann für uns eine Zeit des ständigen Umherreisens.
Wie ich befürchtet hatte, erhörte de Baudricourt, ein grobschlächtiger Mann mit schütterem Haar und unmöglichen Manieren, Jeanne natürlich nicht.
Beim ersten Mal, als Sayd sie begleitete, legte er ihm doch tatsächlich ans Herz, dem Mädchen ein paar Ohrfeigen zu geben, damit sie zur Vernunft käme!
»Er hält sie für schwachsinnig«, sagte Sayd, während wir einen Waldweg entlanggingen, um uns zu beraten, ohne dass das Mädchen jedes Wort mitbekam. »Deshalb glaubt er ihr
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