Das Herz der Kriegerin
musste.
Vor der Burg des Königs wurden wir von einigen Adligen begrüßt und es zeigte sich, dass sie tatsächlich wussten, wer wir waren. Jeanne sprach sie offen an und bat, zum König geführt zu werden, doch das verwehrten sie uns. Stattdessen wiesen sie uns den Weg zu einer Herberge, in der wir unterkommen könnten.
Jeanne war darüber verstimmt, doch wir hatten sie darauf vorbereitet, dass es schlimmstenfalls so wie bei Baudricourt sein würde – immerhin waren ihr bislang keine Ohrfeigen angedroht worden.
Die Herberge war wider Erwarten recht gut und während sich unsere Begleiter unten zusammenfanden, um ihre trockenen Kehlen zu benetzen, setzten wir uns mit Jeanne zusammen.
»Was meint ihr, wie lange werde ich warten müssen?«, fragte sie, während sie mit den Hacken frustriert gegen das Bettgestell trommelte.
»Der König weiß, dass du hier bist. Alles andere wird sich finden.«
Tage vergingen. Tage, in denen uns erneut die Langeweile ergriff. Den Schwertkampf konnten wir hier nicht üben, so vertrieben wir uns die Zeit, indem wir ihr ein paar Worte unserer jeweiligen Muttersprachen beibrachten und ihr auch die Schriftzeichen zeigten. Dabei achteten wir peinlich darauf, dass sie uns für nichts anderes als Menschen hielt – soweit ich das beurteilen konnte, war nichts anderes der Fall.
Dann endlich kam eine Nachricht aus der Burg. Vier Geistliche verlangten, Jeanne zu sprechen. Wir ließen sie gehen, in dem Vertrauen, dass sie mit diesen Männern zurechtkommen werde.
»Der König ist misstrauisch«, kommentierte Sayd das Geschehen, während er auf die Straße vor der Herberge hinabblickte, auf der die Priester ihre Pferde abgestellt hatten. Als ich neben ihn trat, bemerkte ich ein paar Frauen, die neugierig zu uns hochblickten. Entweder wunderten sie sich darüber, dass drei Priester am helllichten Tag in einem Wirtshaus verschwanden oder es hatte sich mittlerweile herumgesprochen, dass hier ein Mädchen angekommen war, das behauptete, Frankreichs König den Thron zurückzugeben.
»Er schickt seine Priester vor, um Jeanne zu prüfen«, fügte Sayd hinzu, nachdem er die Frauen ebenfalls bemerkt hatte.
»Vielleicht sollten wir denen mal unsere Engel vorspielen«, warf David aus dem Hintergrund scherzhaft ein. »Immerhin wäre es möglich, dass sie uns glauben.«
»Wenn sie mit Blindheit geschlagen sind, sicher.«
»Kommt ganz darauf an.« Sayd lächelte hintergründig. »Wenn wir es richtig anstellen, könnten wir sie dazu bringen, sich vor uns auf die Knie zu werfen.«
»Ja, weil sie glauben, der Teufel sei ihnen erschienen.« David winkte ab. »Nein, lass uns lieber hierbleiben und den Schmutz unter unseren Fingernägeln hervorkratzen, damit stellen wir wenigstens keine Dummheit an.«
Als sie zurückkam, berichtete uns Jeanne, dass ihr alle möglichen Fragen gestellt worden waren.
»Allerdings haben sie mir nicht gesagt, wann er mich empfangen wird.«
»Wahrscheinlich muss er sich erst einmal anhören, was seine Priester zu sagen haben«, wandte David ein. »Sie waren nur hier, um sich ein Bild von dir zu machen. Die Grüße des Königs waren nur der Vorwand.«
»Aber warum glauben sie mir denn nicht?« Jeanne verzog das Gesicht und auf einmal wirkte sie wieder wie das kleine Mädchen unter dem Weidebaum, das auf Geheiß ihres Vaters Kühe hüten musste.
»Weil er deinem Gott nicht so nahesteht wie du«, antwortete ich. »Er bekommt keine Botschaften, sieht keine Visionen.«
»Und er zweifelt«, gab Jeanne niedergeschlagen zurück.
»Ja, das tut er wohl. Und deshalb wirst du dich noch gedulden müssen.«
Das war leicht gesagt und ich spürte, dass es um Jeannes Geduld nicht besonders gut stand. Sie wollte endlich die Engländer aus ihrem Land vertreiben und auch die Burgunder. Und nun, dem König so nahe, stieß sie erneut auf eine Mauer des Misstrauens.
Am nächsten Tag kam ein Schreiben aus der Burg und fast dachten wir schon, dass dies die ersehnte Einladung war. Jeanne entrollte das Schreiben voller Vorfreude, doch mit jedem Wort, das sie las, verfinsterte sich ihre Miene immer mehr.
»Was schreiben sie?«, fragte ich schließlich, als sie sich niedergeschlagen auf ihr Bett sinken ließ.
»Sie bitten mich für morgen auf die Burg – allerdings nicht, um den König zu sprechen, sondern um meine Jungfräulichkeit zu überprüfen.«
Sayd sog zischend die Luft zwischen die Zähne. David stieß einen Unmutslaut aus.
»Sie wollen deine Jungfräulichkeit untersuchen?« Ich
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