Das Herz der Kriegerin
der besten Schmiede der Gegend angepasst. Vor lauter Ehrfurcht zitterten dem Mann, der mindestens viermal so alt war wie das Mädchen vor ihm, die Hände. Die Jungfrau zu berühren war auch für andere ein Zeichen des Heils geworden. Mägde allen Alters baten Jeanne darum, wann immer sie sie sahen, und es fragten auch Leute in der Stadt. Wieder kam das Gerücht auf, dass Jeanne heilen könnte, doch dem widersprach sie freundlich, aber bestimmt.
»Ich habe von Gott nur eine Aufgabe erhalten, und die lautet, das Land von den Engländern zu befreien.
Während der Schmied die Rüstung fertigte und Soldaten ausgewählt wurden, fanden sich zahlreiche Freiwillige unter den Adligen, die Jeannes Heer begleiten wollten. Viele von ihnen hatten gewiss gute Absichten, andere jedoch, und das spürte ich deutlich, wollten nur mitreiten, um zu sehen, wie das törichte Bauernmädchen von den Engländern zerfleischt wurde.
In der Nacht vor dem Aufbruch kamen Jeanne selbst Zweifel. Sie versuchte, das Zittern ihrer Glieder zu unterdrücken und mit Gebeten ihre Angst zu bezähmen, doch so recht wollte es ihr nicht gelingen. Ich hockte mich neben sie und nahm sie in meine Arme. Ihr zu sagen, dass dies der Moment war, auf den sie so lange gewartet hatte, wäre überflüssig gewesen, denn das wusste sie gewiss. Und gerade deshalb plagten die Ängste sie. Wahrscheinlich fürchtete sie, zu versagen, und diese Möglichkeit bestand in der Tat. Kein Heerführer konnte etwas ausrichten, wenn den Soldaten hinter ihm der Mut sank und sie die Flucht ergriffen.
Das Fuhrwerk, das von einem Trupp von etwa hundert Soldaten begleitet wurde, verließ die Stadt im Morgengrauen. Wunderlicherweise hatten sich zu dieser frühen Stunde – noch vor dem Krähen der Hähne und dem Läuten der Morgenglocke – zahlreiche Bürger der Stadt in den Straßen eingefunden, um Jeanne mit Gebeten zu begleiten.
Um uns zu tarnen, waren wir in Waffenröcke des Königs geschlüpft und ritten am hinteren Ende des Trupps. Neben Jeanne zu reiten, hätte ihre Stellung als Anführerin untergraben, also hielten wir uns zurück und ließen sie gleichzeitig nicht aus den Augen.
Sobald wir aus der Stadt heraus waren, zeigte sich, dass wir richtig entschieden hatten. Jeanne wurde selbstsicherer. Mit jeder Meile, die wir zurücklegten, gewöhnte sie sich besser an ihre Rüstung. Und auch die Stimmung der Männer hellte sich auf. Als würde von ihr ein Zauber ausgehen, folgten sie ihr bereitwillig.
Als der Abend hereinbrach, schlug das kleine Heer sein Lager im Wald auf. Jeanne, die inzwischen wie eine Feldherrin auftrat, bat mich zu sich und verlangte, ich solle einen Brief schreiben.
Beinahe hätte ich sie daran erinnert, dass sie das doch selbst konnte, doch dann fiel mir wieder ein, dass ich ihr geraten hatte, vor keinem Menschen zuzugeben, dass sie schreiben konnte, weil dergleichen bei einer Frau als Teufelswerk angesehen wurde. Bereitwillig schrieb ich also einen Brief an die Engländer nieder, der mich allerdings in ziemliches Erstaunen versetzte.
»Bist du sicher, dass du diesen Brief an sie senden willst?«, fragte ich, nachdem ich ihr alles noch einmal vorgelesen hatte. Hätte ein König einem anderen dergleichen geschrieben, hätte das ganz gewiss Krieg bedeutet.
»Ich muss etwas tun, das meine Männer dazu bringt, mich als ihre Kriegsherrin anzuerkennen«, erklärte sie. »Gleichzeitig soll dieser Brief die Engländer einschüchtern. So ähnlich hat Sayd es mich gelehrt.«
Das hatte er tatsächlich, aber mussten es denn gleich so deutliche Worte sein? Ihren Wortlaut zu verändern, wagte ich allerdings nicht, und so wurde noch vor dem Morgengrauen ein Bote losgesandt, der die Nachricht zum Herzog von Bedford tragen sollte.
»Sie wird den Engländern einen gewaltigen Schrecken einjagen«, war Sayd überzeugt. In seinen Augen blitzte der Stolz auf seine Schülerin. »Kein königlicher Rat würde dergleichen verfassen, ja der König selbst würde es nicht wagen, ihnen derart zu drohen.«
»Deshalb ist es ja so gefährlich«, entgegnete ich, denn mir war nicht wohl dabei.
»Gefährlich ist alles, was sie tut, es war schon gefährlich, aus ihrem Dorf fortzugehen. Ich bin sicher, dass die Engländer dergleichen nicht erwarten und sie fürchten werden, allein schon deshalb, weil sie im Namen Gottes auftritt und eine Sicherheit an den Tag legt, die man nur durch Gottes Unterstützung haben kann.«
»Oder die Unterstützung des Teufels«, mischte sich David ein.
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