Das Herz der Kriegerin
auch jetzt noch nicht an sie erinnern, so wird er es spätestens dann tun, wenn sie ihn wieder in die Arme schließt. Mich wundert wirklich, warum ihr das nicht längst getan habt.«
»Sayd hat uns aufgetragen, hierzubleiben, und allein wollten wir ihn nicht gehen lassen. Aber wenn ihr nun hier seid …«
»Ich werde auf keinen Fall hierbleiben!«, wandte Jared schnell ein. »Wenn ich nach einem Mittel forschen soll, dann muss ich mit ihm reisen.«
»Und ich werde dich begleiten«, entgegnete Vincenzo. »Wen nehmen wir noch mit?«
Jared zog überrascht die Augenbrauen hoch. Wenn er mit Sayd einen Vorschlag diskutierte, dauerte es wesentlich länger, bis er Zustimmung bekam. Da genau das passieren würde, wenn sie in Frankreich wieder vereint wären, entgegnete er schnell: »Nehmen wir Ashar mit. Den will ich nach dem Vorfall in der Gruft besser nicht aus den Augen lassen.«
»Vorfall?«
»Erzähle ich dir noch. Und es könnte auch nicht schaden, wenn wir Malik mitnehmen, um auf Ashar aufzupassen.«
»In Ordnung, dann sollten wir mit den anderen reden.«
Vincenzo schlug ihm auf die Schulter und erhob sich dann.
Weitere zermürbende Wochen folgten. Nicht einmal Sayd hatte sich träumen lassen, dass so viel Zeit ins Land gehen würde. Zwischenzeitlich erreichte uns die Kunde, dass Jared und die anderen wieder in England angekommen und auf dem Weg ins neue Dorf waren. Offenbar hatte sie die Nachricht, die wir in Kairo für sie deponiert hatten, erreicht.
David war nach Paris geritten, zu einem unserer Taubenschläge dort, und hatte von den Wächtern die Nachricht übergeben bekommen, die wohl erst Stunden zuvor eingetroffen war. Ich freute mich sehr, dass es unseren Freunden gut ging, und ich sehnte mich danach, sie alle wiederzusehen und von ihren Abenteuern zu hören. Doch noch hatten wir keine Zeit dazu, denn die Engländer befassten sich mit neuen Kriegsplänen und auch Charles spannte uns weiter auf die Folter. Noch immer ließ er Jeanne prüfen, nun nicht mehr durch Hofdamen oder Priester, sondern durch Gelehrte. Als ob diese ein Glas hätten, um in ihren Kopf zu schauen!
Nur schwerlich konnte ich Sayd davon abhalten, Tanneguy noch einen Besuch abzustatten. Der Gute bekam jedes Mal, wenn er uns sah, Schweißausbrüche, was eine ziemliche Herausforderung für unsere Nasen war.
Dann endlich ließ der König endlich wieder nach Jeanne schicken. Meine Erwartungen waren allerdings ziemlich niedrig. Wahrscheinlich würde er einmal mehr nur mit ihr sprechen wollen – oder er hatte weitere Gelehrte anreisen lassen, vor denen sie ihre Keuschheit und ihren Glauben beweisen sollte.
Überraschenderweise war der gesamte Hofstaat anwesend – aufgeputzte Damen und Männer, die wie Pfauen in den Gärten arabischer Wesire wirkten –, was zuletzt bei dem großen Empfang vor ein paar Wochen der Fall gewesen war. Unter den Anwesenden erkannte ich auch den Herzog von Alençon, nach dem Dauphin der nächste Thronanwärter. Auch Tanneguy war da, und sobald er Sayds Blick gefunden hatte, nickte er ihm vielsagend zu.
Bedeutete dies, dass der König endlich gewillt war, Jeanne ein Heer zu geben? Wenn nicht, würde Tanneguy wohl heute Abend doch Besuch bekommen …
Nach einigen umständlichen Begrüßungsworten, denen ich kaum folgte und mir lieber die Zeit damit vertrieb, Sayds Profil zu studieren, kam der ungesalbte König endlich auf den Punkt.
»Nach reiflicher Überlegung haben wir beschlossen, dich mit einer Rüstung auszustatten und dir ein Heer zu geben.«
Anstatt in Jubel auszubrechen, senkte Jeanne, die ohnehin schon vor Charles kniete, den Kopf noch tiefer und demütiger. »Ich danke Euch, Herr.«
Der König überging ihre Worte. »Als Erstes wirst du versuchen, die Stadt Orléans, die gerade von den Engländern belagert wird, mit Gütern zu versorgen. Die Menschen dort benötigen Kleidung und Nahrung, doch die englischen Soldaten vereiteln jeden Versuch, einen Karren in die Stadt zu bringen. Gelingt es dir, will ich dich das Heer anführen lassen, das mich nach Reims zur Krönung bringt.«
»Das werde ich tun, mit Gottes Hilfe.«
Jeanne hielt weiterhin ergeben den Kopf gesenkt. Ihre Freude sah man ihr nicht an, aber ich wusste, dass sie in diesem Augenblick am liebsten losgejubelt hätte. Endlich schenkte der König ihr Vertrauen! Natürlich hatte dies damit zu tun, dass wir nachgeholfen hatten, aber danach würde in ein paar Jahrhunderten niemand fragen.
Die versprochene Rüstung wurde ihr von einem
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