Das Herz der Kriegerin
nehme an, dass dies die Schlacht ist, die ich gesehen habe. Ich bin sicher, dass sie sie überstehen wird.«
»Meinst du nicht, dass alles ein bisschen zu einfach geht?«, meldete David Zweifel an. »Seit wir aus Chinon losgezogen sind, hat sie nur Glück. Das kann doch nicht mehr lange gutgehen.«
»Beschreie bloß nichts!«, ermahnte ich ihn, weil auch ich ein ungutes Gefühl hatte. »Du weißt doch, wie es in den vergangenen Monaten ausgesehen hat: Warten, warten, immer nur warten!«
»Und so wird es bald wieder sein«, sagte Sayd jetzt ahnungsvoll. »Auch wenn wir die Schlacht für uns entscheiden, wird der König wieder die Räte bemühen.«
»Will er denn nicht endlich seine Königskrone haben? Sich König nennen kann schließlich jeder«, spottete David.
»Er will die Krone, aber er misstraut seiner Helferin noch immer.« Schwer erhob Sayd sich und begab sich dann zu seinem Feldbett. »Wir sollten uns ausruhen, die kommenden Tage werden uns viel Blutvergießen bringen.«
»Und Aisha anlocken«, setzte ich gedankenvoll hinzu.
»Möglicherweise«, entgegnete Sayd. »Doch wenn das geschieht, überlass sie mir und behalte Jeanne im Auge. In Ordnung?«
Ich nickte, doch ich schwor mir, dass ich Aisha zur Rechenschaft ziehen würde – wenn sie mir unter die Klinge kam.
29
E ine seltsame Ruhe herrschte über dem Schlachtfeld an diesem Morgen. Orléans lag düster und mit noch immer rauchenden Mauern in der Ferne. Dazwischen das englisch-burgundische Heer. Krähen und Raben zogen am Himmel ihre Bahnen, auf der Suche nach Leichnamen, über die sie sich hermachen konnten. Schnell wurden sie fündig, denn weder wir noch die Engländer waren dazu gekommen, die Gefallenen zu bergen und zu bestatten. Der Geruch, der in der unbewegten Luft stand, war unaussprechlich.
Sayd, der am Zelteingang stand, blickte besorgt nach oben. Stille war in diesen Tagen ebenso wenig ein gutes Zeichen wie das plötzliche Auftauchen schwarzer Wolken. Der Himmel war an diesem Morgen bleigrau und dicht verhangen, dennoch schien es selbst mir, dass Aisha in der Nähe war. Sie und ihr Gemahl waren überall, wo Blut floss und gestern war mehr als genug vergossen worden.
»Was denkst du?«, fragte ich Sayd, obwohl ich wusste, dass er der Letzte war, der seine Gedanken preisgeben würde.
»Die Schlacht wird noch ein paar Tage andauern. Doch sofern wir von den Dschinn in Ruhe gelassen werden, können wir siegen.«
Noch weitere Tage Blutvergießen. Noch weitere Tage, an denen wir auf Jeanne achtgeben mussten. In der Achtung der Soldaten war sie gestiegen, auch Gilles de Rais war weiterhin sehr angetan von ihr. Doch was, wenn sich das Blatt wendete?
»Die Schlacht gestern … War es das, was du in deiner Vision gesehen hast?«, fragte ich weiter, als ich spürte, dass Sayd sich wieder in sein Innerstes zurückzuziehen begann. Ich wollte auf keinen Fall allein sein mit meinen Gedanken, denn David schlief noch immer tief und fest auf seiner rauen Decke.
»Ja und nein«, antwortete Sayd rätselhaft, während er den Arm um meine Taille schlang. »Die Schlacht hat anders ausgesehen, aber meine Visionen sind manchmal ein wenig ungenau, weil die Zeit die Dinge verändert und sie anders werden lässt, als es damals den Anschein hatte.«
Vielleicht lag es an der frühen Stunde, aber das überstieg meinen Verstand. Ich bemerkte aber, dass ein dunkler Schatten über seine Augen zog.
»Da war noch etwas anderes, nicht wahr?«
Er nickte, presste aber die Lippen zusammen.
»Droht dem Mädchen Unheil?«, fragte ich trotzdem weiter.
»Das droht jedem Menschen, der danach strebt, etwas Besonderes zu tun. Wenn wir diese Schlacht gewinnen, wird sie sich sehr viele Feinde machen. Mächtige Feinde, die versuchen werden, sie in die Finger zu bekommen.«
»Das können wir doch verhindern, nicht wahr?«, fragte ich beunruhigt, und meine Besorgnis wuchs noch an, als ich Sayds finsteren Blick bemerkte.
»Haben wir damals den Mord an Johann Ohnefurcht verhindern können?«, fragte er in einem Tonfall, der mir einen eisigen Schauer über den Körper schickte. Das schien er zu bemerken, denn seine Miene verlor nun an Härte.
»Mach dir keine Sorgen, sayyida , es wird sich alles fügen.« Das hoffte ich inständig, besonders eine Stunde später, als Jeanne ihre Truppe zusammenrief und zu den Soldaten sprach. Sie hatte keineswegs die Redegewandtheit eines königlichen Kanzlers, aber die Menschen verstanden sie – trotz ihres Dialekts, der unter den Höflingen
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