Das Herz der Kriegerin
bist.«
Während er sprach, war sein Gesicht meinem so nahe, dass wir uns hätten küssen können. Doch er strich mir nur eine Haarsträhne aus dem Gesicht und berührte zärtlich meine linke Wange, bevor er mich wieder losließ.
»Da magst du wohl recht haben, aber ich bin immerhin auch schneller als jeder Sterbliche. Ich hätte den Bolzen sicher noch bemerkt.«
Sayd nickte, aber zu glauben schien er mir nicht. Und wenn ich ehrlich war, glaubte ich mir selbst auch nicht, denn tatsächlich hatte ich den Bolzen nicht kommen hören.
Da wir nicht wollten, dass sich die Soldaten aus dem Feldlager die Sache mit der Verfolgung noch einmal überlegten, zogen wir es vor, so schnell wie möglich auf unsere Pferde zu kommen und dann gen Süden zu reiten. Dabei schlugen wir uns in die Wälder und bahnten uns einen Weg durch das Unterholz, wo es den Soldaten schwerfallen sollte, uns zu folgen.
»Ich bin der Meinung, dass wir uns nach Bourges begeben sollten«, erklärte Sayd, als nach Stunden das französische Hinterland sich vor uns öffnete. Inzwischen brach der Abend herein und wir waren uns ziemlich sicher, dass kein Engländer uns mehr nachstellte. »Wenn wir Johann warnen, wird dies das Ende der Friedensverhandlungen bedeuten, denn aufgrund der Vorgeschichte mit dem Herzog von Orléans wird er natürlich annehmen, dass der Mörder aus dem Lager des Dauphin kommt. Und wir wissen alle, wie wichtig es ist, dass der Dauphin und der Burgunderfürst zusammen gegen die Engländer streiten, statt durch ihre Uneinigkeit Schwäche zu zeigen.«
»Aber wenn es doch jemand aus seinem eigenen Gefolge ist?«, wandte David ein.
»Wir sollten wirklich nach Bourges reiten«, sagte ich mit fester Stimme. »Immerhin gibt es dort jemanden, der uns helfen kann. Es müsste doch im Interesse des Prinzen sein, dass die Verhandlungen gut verlaufen. In dem Fall würde er vielleicht sogar die Krone zurückerlangen.«
»Und wenn gerade unser Dauphin derjenige ist, der den Burgunder tot sehen will?«, meldete sich Belemoth zu Wort. »Gab es denn wirklich keine Hinweise als die Hand und den Dolch?«
Sayd überlegte kurz, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich sah nur die Hand und das Blut, das dem Fürsten aus der Wunde floss. Und ich sah ihn fallen …«
»Dann müssen wir uns wohl darauf verlassen, dass dein Gott dir vielleicht noch eine Botschaft sendet«, sagte ich ein wenig verdrossen.
»Wir haben noch eine andere Möglichkeit«, hielt Sayd dagegen. »Wir besinnen uns auf unsere alten Tugenden. Früher konnten wir jeden Mann ausfindig machen und alles über ihn herausfinden.«
»Damals waren wir Mörder im Dienste Malkuths«, gab David zu bedenken. Sayd lächelte schief. »Du hast recht. Und wir haben geschworen, unsere Fähigkeiten nur noch zum Wohl der Menschen einzusetzen. Aber wir müssen sie deshalb noch lange nicht ungenutzt lassen.« Er wandte sich an David. »Du wirst dich umhören und den Leuten entlocken, was sie über den Burgunder denken.«
»Das kann ich dir jetzt schon sagen, sie hassen ihn«, entgegnete David lachend.
»Natürlich tun sie das, aber Hass führt nicht immer zu der Absicht, jemanden zu ermorden. Vielleicht ist dem Attentäter der Fürst vollkommen egal. Wie du weißt, haben auch wir jegliches Gefühl bei der Erledigung unserer Aufträge vermieden. Suche vielleicht nach denen, die nicht offensichtlich hassen.«
»Du meinst, getreu der Weisheit, dass bellende Hunde nicht beißen?«
»Genau! – Belemoth, du wirkst in dieser Gegend sehr auffällig, aber das können wir vielleicht zu unserem Vorteil nutzen. Gib dich als Reisender aus, der mit den Gepflogenheiten der Gegend nicht vertraut ist. Vielleicht sind die Leute dir gegenüber etwas gesprächiger.« Damit wandte er sich mir zu. »Laurina, du kennst die Bräuche der Assassinen nicht, aber dennoch erinnerst du dich sicher an deine Aufgabe während der Kreuzzüge.«
Und ob ich mich erinnerte! Ich hatte mich zuweilen als Magd verdingt, um Leute auszuhorchen. Keine besonders schöne Aufgabe, aber mir war klar, dass man durch Herumsitzen und Verstecken nichts erreichte.
»Du möchtest also, dass ich mir wieder einmal eine Anstellung suche?«
»Ja, allerdings soll es nicht wieder eine Schenke sein, sondern der Hof des Dauphin.«
»Aber ich denke, der Dauphin soll aus dem Spiel bleiben!«
»Natürlich soll er das. Und es wäre auch gut, wenn du dich ihm nicht zeigen würdest. Von uns allen bist du ihm wahrscheinlich noch am besten in Erinnerung. Wir
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