Das Herz der Kriegerin
ebenfalls seiner Waffen entledigte.
Ein Krachen draußen vor der Tür ließ uns alle zusammenzucken, doch das nachfolgende Gelächter zeigte an, dass wahrscheinlich nur ein Betrunkener der Länge nach in den Gang gefallen war.
»Möglicherweise«, entgegnete Sayd, nachdem er den Blick wieder von der Tür abgewandt hatte. »Aber vielleicht erkennt man sie an ihrem Akzent. Wir sollten vielleicht ein wenig genauer hinhören.«
Kaum war seine Stimme verklungen, krachte etwas hart gegen unsere Tür. Offenbar war doch niemand hingefallen, sondern eine Rauferei im Gange.
»Ich sehe schon, wir werden eine unterhaltsame Nacht haben«, bemerkte David grimmig, während er sein Messer betrachtete und offenbar überlegte, ob er rausgehen und die Raufbolde zur Räson bringen sollte.
»Solange die Kerle draußen bleiben, soll es mir recht sein«, entgegnete Sayd gleichmütig, während er sich kurz umsah und dann seinen Gebetsteppich in Richtung Mekka ausrollte – oder zumindest die Richtung, die er dafür hielt. »Kommen sie jedoch herein, während ich mein Gebet spreche, hast du meine Erlaubnis, sie hinauszuwerfen.«
»Meine auch«, setzte Belemoth hinzu, während er es Sayd nachtat und wenig später auf seinem Teppich niedersank und begann, zusammen mit seinem Freund seinen Gott zu preisen.
David und ich setzten uns derweil in verschiedene Ecken des Raumes und hingen unseren Gedanken nach. Dabei ertappte ich mich immer wieder dabei, dass ich Sayds Rücken musterte und die Muskeln unter seinem Hemd betrachtete, als hätte ich sie zuvor noch nie gesehen. Als mir schließlich sein Kuss wieder in den Sinn kam, schoss mir das Blut ins Gesicht. Rasch wandte ich den Blick ab, musterte meine Unterarmklinge und rieb mit dem Finger über die feinen Metallbeschläge, die noch immer glänzten wie damals, als David mir diese Waffe schenkte.
Da ich in dieser Nacht kein Auge zutun konnte, setzte ich mich in die Laibung des Fensters und blickte hinaus auf die mondbeschienene Straße.
Inzwischen war der Lärm weniger geworden, selbst die schlimmsten Zechbrüder zog es irgendwann nach Hause. Hinter mir schnarchten meine Freunde auf ihren Strohsäcken. Ich beneidete sie für ihre Unbeschwertheit.
Auf einmal spürte ich ganz sacht eine Hand auf meinem Arm.
»Da ihr euch auf eure alten Assassinentugenden besinnen wollt, wäre es vielleicht gut, sich wieder an den Grundsatz zu erinnern, dass man sich einem Freund nicht nähert, ohne ihn die Annäherung merken zu lassen.«
»Sag bloß, du hast mich nicht gehört.« Sayd lächelte mich breit an, wobei das Mondlicht seine Zähne wie milchigen Quarz wirken ließ. »Ich müsste wirklich an deinen Kräften zweifeln, wenn dem so wäre.«
»Ich war abgelenkt«, verteidigte ich mich, denn ich hatte ihn wirklich nicht gehört. »Und vielleicht habe ich ja im Feuer doch Schaden genommen.«
»Das glaube ich nicht, sayyida . Einigen wir uns darauf, dass du dem Zauber des Mondes erlegen warst und ich mir die größte Mühe gegeben habe, dich mein Kommen nicht hören zu lassen.«
Als sich unsere Blicke trafen, wurde mir ganz seltsam zumute. Nur zu deutlich spürte ich Sayds Wärme, und auf einmal überkam mich eine tiefe Sehnsucht danach, seine Haut zu berühren. War das falsch? Was würde Gabriel sagen, wüsste er, dass ich mich danach verzehrte, Sayds Körper zu spüren?
Schließlich gab ich meinem Verlangen nach und legte meinen Kopf an seine Brust. Sayd wirkte überrascht, doch dann kam er noch etwas näher und legte seinen Arm um mich. Ich ließ mich in seine Umarmung sinken, spürte seinen Herzschlag, der um ein Vielfaches langsamer war als der eines gewöhnlichen Menschen, und genoss seine Wärme, die durch mein Nachthemd drang.
»Soll ich dir wieder eine Geschichte erzählen?«, fragte er, nachdem wir eine Weile so verharrt hatten.
Ich schüttelte den Kopf. »Nicht nötig. Es reicht mir schon, dass du bei mir bist.«
Im nächsten Augenblick schien er heftig mit sich zu ringen. Ich spürte, dass sich seine Muskeln anspannten und sein Herz etwas schneller schlug.
»Laurina«, sagte er dann in mein Haar. »Ich …«
»Schsch …«, machte ich und strich ihm sanft über die Stelle an der Brust, unter der seine Lebensquelle pulsierte. Ich wollte nicht, dass er irgendetwas sagte, nicht in diesem Augenblick, der so perfekt erschien, dass er ewig währen sollte.
Sayd verstummte, küsste mich auf den Scheitel und hielt mich dann schweigend fest, bis der Morgen sein erstes Rot am Horizont
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