Das Herz der Kriegerin
werden einen angesehenen Mann bitten, dich in die Schar der Dienstmägde zu schleusen.«
»Und wer soll der sein?«
»Der Stadtvogt von Paris.«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Aber der kennt mich auch!«
»Gut so! Er wird der Einzige sein, den wir einweihen.«
»Tanneguy hasst die Burgunder wie die Pest!«, gab David zu bedenken. »Ha er nicht mal was davon gesagt, dass er diesem Johann Ohnefurcht gern persönlich den Hals umdrehen würde?«
»Das hat er in der Tat, aber wie war es noch mit dieser Weisheit? Nicht jeder, der hasst, wird deshalb zum Mörder?« Sayd hob eine Augenbraue. »Ich glaube nicht, dass er es ist, den wir suchen. Ist er doch klug genug, zu wissen, dass die Friedensverhandlungen wichtig für den Dauphin sind. Die Burgunder können und wollen offenbar keinen König stellen, sonst würde Johann längst die Krone tragen. Sollten die Verhandlungen gut laufen, wird Charles als König von Frankreich in Paris einziehen und England wieder einem geeinten Gegner gegenüberstehen.«
»Wollen wir hoffen, dass der Stadtvogt genauso denkt«, entgegnete Belemoth, der ebenfalls nicht sonderlich überzeugt zu sein schien.
»Wenn er es nicht tut, werde ich dafür sorgen, dass sich das ändert. Laurina könnte sich bei den Männern, die bei du Chastel ein- und ausgehen, umhören. Außerdem schnappen die anderen Mägde vielleicht etwas auf, das sie am Abend nach der Arbeit herumplappern. Jeder noch so kleine Hinweis kann uns helfen.«
»Und wenn nun der Mörder bei den Engländern lauert?«, fragte ich, denn eigentlich waren sie die Einzigen, die eine Übereinkunft der Armagnacs mit den Bourguignons fürchten mussten.
»Wenn ein Engländer der Mörder ist, wird er gewiss versuchen, die Schuld auf den Dauphin abzuwälzen«, entgegnete Sayd. »Also wäre es möglich, dass er sich in der Nähe des Dauphin aufhält. Oder zumindest unter seinen Anhängern. Und dort werden wir ihn finden.«
Das klang alles ziemlich kompliziert und langwierig. Natürlich mussten für die Friedensverhandlungen Vorbereitungen getroffen werden, doch ich fürchtete, dass der Mörder uns zuvorkommen könnte.
»Natürlich hoffe ich wie ihr, dass Allah mir noch ein Zeichen schickt oder Bilder, die uns weiterhelfen können«, sagte Sayd, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Wenn er will, dass der Krieg auf diese Weise endet, wird er es tun, dessen bin ich mir sicher. Und jetzt lasst uns reiten, Bourges sollte bestenfalls zwei oder drei Tagesritte entfernt sein.«
Damit trieb er sein Pferd wieder an, und ich hoffte inständig, dass sein Gott wirklich vorhatte, den Christen Frieden zu bringen.
10
D er mächtige, von roter Abendsonne beschienene Kirchturm von Bourges begrüßte uns schon von Weitem. Ebenso wie ihn schien der Krieg auch den Rest der Stadt nicht berührt zu haben. Auch wenn hier dieselbe trübe Stimmung herrschte wie in Rouen, schienen die Menschen ihrem Tagwerk noch einigermaßen fröhlich nachzugehen. Auf den Straßen sah ich Bauern mit ihren Karren, Frauen, die, ihre Körbe unterm Arm, munter miteinander plauderten, und eine Horde Kinder, die einem recht zerzaust wirkenden Hund nachjagte. Rauch und die Ausdünstungen einer Garküche übertünchten den erdrückenden Gestank nach Mist wenigstens ansatzweise.
Ich konnte Sayd ansehen, dass er über den allgegenwärtigen Schmutz und Unrat alles andere als erfreut war. Auch nach über hundert Jahren in diesem Teil der Welt hatte er sich noch immer nicht an die Unsauberkeit der Städte gewöhnt.
Beim letzten Mal, als wir den Dauphin hergebracht hatten, war es Nacht gewesen, und bei Nacht waren wir auch wieder fortgezogen. Aber diesmal würden wir ein Quartier brauchen. Auf der Suche nach einer Herberge ritten wir über den Marktplatz, passierten einige Handwerks- und Kaufmannshäuser. Nach einer Weile tauchte zwischen den Häusern das Palais auf, in dem der Königssohn seine Residenz eingerichtet hatte. Schwer bewaffnete Soldaten bewachten das Gebäude.
»Tanneguy weicht seinem Herrn sicher nicht von der Seite«, gab ich zu bedenken, als wir das Palais passierten. »Wir willst du ihn rauslocken, ohne dass der Junge etwas mitbekommt?«
»Ganz einfach, indem ich herausfinde, wo er seinen Haushalt hat. Irgendwann kehrt auch ein Mann wie er an den heimischen Ofen zurück, um sich den Rücken zu wärmen.«
»Oder er sucht sich einen Ort, an dem er sich, fern ab von seinem Pflichten und seinem Herrn ein wenig Vergnügen gönnen kann.« Belemoth lächelte hintergründig.
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