Das Herz der Kriegerin
Ich fragte mich, was sein Mädchen gerade machte. Wartete sie sehnsüchtig auf ihn oder tröstete sie sich mit Vincenzo? Was würde er wohl dazu sagen …
»Du meinst, er geht in ein Hurenhaus?«, David verzog skeptisch das Gesicht.
»Warum denn nicht?«, entgegnete Belemoth. »Er ist ein Mann wie jeder andere auch.«
»Das sehe ich genauso«, entgegnete Sayd. Von ihm wusste ich, dass er solche Orte mied, auch David blieb den Badehäusern fern. Aber Tanneguy, da hatte Belemoth recht, war gewiss ein Mann, der sich mit solchen Mädchen vergnügte. »Vielleicht sollte Belemoth sich in diesen Häusern nach dem Stadtvogt erkundigen«, sagte ich deshalb. »Schaden kann es nicht.«
Nach einer Weile erreichten wir eine Gasse, aus der uns laute Fidelmusik entgegentönte. Wieder konnte man den Eindruck gewinnen, dass es vor den Toren der Stadt keine Engländer gab, die das Land bedrohten. Männerstimmen johlten ein recht schräges Trinklied, Gelächter mischte sich in den Gesang. An einer Hausecke versuchte ein Bursche, einem Hund das Tanzen beizubringen – vergeblich, denn der Hund kläffte mehr, als er sich auf den Hinterbeinen hielt.
Nach einer Weile erblickten wir den Verursacher des Lärms. Die kleine Schenke schien vor Gästen zu bersten – und das am helllichten Tag.
»Offenbar sind sie der Meinung, dass sie feiern sollten, solange sie es noch können – Und dir würde ich raten, wieder deine Frauenkleiner anzulegen«, wandte sich Sayd an mich, als wir uns der Schenke näherten. »Du erinnerst dich doch sicher noch an das, was Renaud und die Soldaten gesagt haben. Frauen in Männerkleidern sind hier nicht gern gesehen.«
Schnaufend nickte ich. »Ich will ihnen keinerlei Anlass geben, mit mir Streit anzufangen. Aber hier auf der Straße kann ich mich auf keinen Fall umkleiden.«
»Wir werden schon eine Ausrede für deinen Aufzug finden, kleine Schwester«, sagte Belemoth und klopfte mir auf die Schulter.
Kleine Schwester , so nannte er mich immer noch, obwohl ich nur geringfügig weniger Jahre auf dem Buckel hatte, als er. Ich mochte es mittlerweile, wenn er mich so ansprach, gab es mir doch das angenehme Gefühl, nicht allein zu sein.
Nachdem wir unsere Pferde festgebunden hatten, traten wir in die Schenke, die so überfüllt war, dass unsere Anwesenheit zunächst nicht auffiel. Doch schließlich bemerkte man uns, und dass eine Frau in Männerkleidern in ihre Mitte trat, erstaunte einige Männer dermaßen, dass sie vor mir zurückwichen. Selbst der Fidelspieler unterbrach seine Weise, was wiederum dazu führte, dass auch der Gesang abebbte und die uns zuteilwerdende Aufmerksamkeit wuchs.
Es überraschte mich allerdings nicht, dass die Anwesenden ihre Bemerkungen hinunterschluckten, denn hinter mir ragte Belemoth wie ein Fels auf. Dennoch hielt ich mich bereit, auf irgendeine Art Angriff zu reagieren.
Sayd bahnte sich derweil seinen Weg zwischen den Gästen hindurch, bis er schließlich vor dem Wirt stand, der ebenfalls bemerkt hatte, dass Fremde, noch dazu ungewöhnliche, bei ihm eingekehrt waren. Kurz redeten die beiden miteinander, dann kehrte unser Anführer zurück.
»Zufälligerweise, und durch den Zuspruch von etwas Gold, hat er noch eine Kammer für uns frei«, sagte er und blickte dann zu den Männern hinüber, die uns misstrauisch beäugten. »Gehen wir, ehe die trunkenen Gesellen hier wissen wollen, warum wir eine Frau in Männerkleidern bei uns führen.«
Widerspruchslos schlossen wir uns ihm an. Es gelang mir, den gierigen Händen auszuweichen, die meine Hüften und meinen Rücken streifen wollten. Obwohl ich keine Angst vor ihnen haben musste, war ich doch froh, als wir die Treppe erreichten und erklommen, und noch wohler wurde mir, als wir die Kammertür endlich hinter uns zuziehen konnten.
»Was für eine schäbige Herberge«, stellte David fest, als er sich in dem Raum mit schiefen Wänden und einem morschen Fensterladen umsah.
»Das Beste, das wir hier bekommen können«, entgegnete Sayd, während er seine Dolche aus dem Gürtel zog und auf den in den Bettkasten gezwängten Strohsack warf. »Außerdem ist es nicht für lange. In ein paar Tagen haben wir unsere Informationen, dann ziehen wir weiter.«
»Mir war, als hätte ich unter den Gästen einige Engländer gesehen«, warf David ein. »Das ist gewagt, würde ich sagen, nachdem die Normandie gefallen ist.«
»Sie werden sich bestens tarnen und so wie wir die hiesige Sprache sprechen«, entgegnete Belemoth, während er sich
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