Das Herz der Kriegerin
wenig in Erfahrung bringen. Was macht denn unser alter Freund Tanneguy?«
»Steigt den Mädchen nach. Glücklicherweise scheint er für die Blassen nichts übrig zu haben.«
»Hat er dich gesehen?«
»Sicher, aber er hat mich nicht erkannt. Wie gesagt, sein Augenmerk liegt mehr auf Mädchen mit dunklen Haaren, die Blonden sieht er nicht an. Zu allem Überfluss scheint er Erfolg zu haben; diese Geschichten höre ich dann in der Küche, während sie die Kessel schrubben.«
Allein schon bei dem Gedanken daran drehte sich mir der Magen um, die Schilderungen waren sehr ausführlich und da ich Tanneguy du Chastel kannte, konnte ich ihnen nicht besonders viel abgewinnen.
»Schade nur, dass er für dich nichts übrig hat«, witzelte David aus seiner Ecke. »Du könntest ihm vielleicht ganz andere Dinge entlocken.«
»Abgesehen davon, dass er mich erkennen würde, gäbe es nur eines, was ich ihm entlocken würde, wenn er sich mir so nähern würde wie den anderen: Schreie.«
»Wir brauchen Tanneguy noch, David«, wandte Sayd grinsend ein. »Laurina würde ihm einen derartigen Schreck einjagen, dass er für den Rest seines Lebens verstummte.«
»Ganz zu schweigen von ihrer Klinge. Die trägst du doch sicher auch im Palais, oder?«, setzte Belemoth hinzu.
Offenbar bekam es meinen Brüdern nicht, dass ich tagsüber nicht bei ihnen war. Für meinen Geschmack waren sie recht übermütig.
»Natürlich trage ich meine Klinge. Wenngleich ich zugeben muss, dass sie zuweilen beim Abwaschen etwas stört.«
Bevor ich noch etwas hinzufügen konnte, griff Sayd nach meiner Hand und führte sie an seine Lippen. Während die anderen diese Geste mit einem breiten Grinsen quittierten, schoss mir die Hitze durch den Körper. Nicht einmal das Feuer in dem Bauernhaus war heißer gewesen.
»Also, ich spüre noch keine Schwielen«, sagte er, als er meine Hand wieder freigab.
Ich war sicher, dass ich zinnoberrot angelaufen war, was mir doppelt peinlich war, denn eigentlich war ich kein achtzehnjähriges Mädchen mehr.
Bei meiner Rückkehr ins Schloss glaubte ich, einen Schatten über den Hof huschen zu sehen. Nun waren um diese Zeit hin und wieder Stallburschen unterwegs, um bei den Pferden nach dem Rechten zu sehen. Doch diese Gestalt erschien mir merkwürdig. Hatten wir im Palais einen Spion? Hatte er es auch auf den Dauphin abgesehen?
Dass Sayd ihn in seiner Vision nicht gesehen hatte, musste nichts heißen …
Rasch und lautlos schlug ich mich ebenfalls in den Schatten. Ich versuchte, nach Stimmen zu lauschen, doch ich vernahm nur ein leises Rascheln. Wollte sich der Schatten hier mit einem Kumpan treffen?
Vorsichtig schlich ich voran, wobei ich mein helles Haar und mein Gesicht unter meinem Mantel verbarg. Schließlich erreichte ich die Stallungen, aus denen mir der warme Dunst der Pferde und des Mistes entgegendrang. Nun ertönte eine Stimme, doch sie war so leise, dass ich die Worte nicht verstand. Doch alles, was ich sah, als ich zwischen den Scheunenbrettern hindurchspähte, war ein Mädchen, das einen Burschen in seine Arme schloss. Die beiden küssten sich und begannen, sich gegenseitig aus den Kleidern zu schälen.
Beschämt zog ich mich zurück. Die beiden hatten ganz sicher nicht vor, den Burgunderfürsten zu töten! Während es in meiner Brust rumorte, kehrte ich in die Küche zurück. Wieder packte mich die Sehnsucht, doch als ich mich auf dem Strohsack ausstreckte, war es nicht Gabriel, an den ich dachte. Ich hatte wieder vor mir, wie Sayd meine Hand ergriffen und seine Lippen daraufgelegt hatte. Vor den anderen war mir diese Geste peinlich gewesen, doch nun strich ich über meinen Handrücken und versuchte, dem Gefühl nachzuspüren.
Mehr denn je wünschte ich mich nun aus der Küche fort, zurück in Sayds Nähe, und ich hoffte, dass sich schon bald etwas tun würde. Irgendetwas.
Tatsächlich meldete sich eine Woche später Tanneguy du Chastel. Sayd hatte ihm bei einem weiteren Besuch einen Ort genannt, an dem er Nachrichten für uns hinterlassen konnte. Natürlich hätte sich du Chastel im Grunde auch an mich wenden können – doch ich hielt mich an die Weisung von Sayd, ihm nicht unter die Augen zu kommen. Stattdessen war der ehemalige Pariser Stadtvogt gezwungen, eine verlassene Scheune aufzusuchen und dort die Nachrichten an einen Balken zu heften, von wo wir sie abholten.
Als ich wieder einmal den Kesseln und den schwatzenden Mägden entkommen war, traf unser Anführer mit einer kleinen Schriftrolle ein,
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