Das Herz der Kriegerin
zurück und sagte: »Wir sollten uns beeilen. Zwei Tage sind auf den ersten Blick viel Zeit, aber wir brauchen neue Pferde und sollten auf alles vorbereitet sein.«
»Und wenn die Verhandlungen so ausgehen, wie wir es uns wünschen?«
»Dann wird in diesem Land Frieden einkehren und wir können uns in unser Dorf zurückziehen.«
12
W ie von Tanneguy angekündigt, zog der königliche Tross zwei Tage später gen Paris. Du Chastel und der Berater des Dauphin, Jean Louvet, ritten neben Charles und dem Herzog von Orléans, und man konnte davon ausgehen, dass die wenigen Begleiter wohl auch seine besten Leute waren. Wir hielten uns abseits, aber nicht so weit entfernt, dass wir den Reiterzug nicht im Auge hätten behalten können.
Nichts Ungewöhnliches tat sich, weder tauchten des Nachts Männer im Lager auf, die dort nicht hingehörten, noch gab es irgendwelche Botschaften seitens des Burgunders.
Nach zwei Tagesritten erreichten wir das Flussufer und wenig später tauchte auch die Brücke vor uns auf. Auf den ersten Blick war sie nichts Besonderes. Eine Steinbrücke wie alle anderen in diesem Land. Der Morgen lag bleiern vor uns und färbte das Wasser grau.
Von den Burgundern war noch nichts zu sehen.
»Ob sie es sich anders überlegt haben?«, murmelte Belemoth, während seine Adleraugen den Horizont absuchten.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Sayd. »Wahrscheinlich hat er Späher in der Nähe postiert. Wenn er sieht, dass der Prinz da ist, wird auch er sich zeigen, warte nur ab!«
Während wir uns abseits hielten, begann die Mannschaft des Dauphin mit dem Aufbau der Zelte. Schon bald flatterte blau-goldener Samt im Morgenwind, das Banner der Orléans krönte die Behausung des Prinzen.
Bei dem Anblick überkam mich das Verlangen, mit ihm zu sprechen, ihm ins Gewissen zu reden, damit er begriff, dass nicht weniger als der Friede seines Landes und das Leben seiner Untertanen auf dem Spiel standen. Doch Sayd hätte das niemals erlaubt. So beschränkten wir uns darauf, zu beobachten und wieder einmal abzuwarten.
»Vielleicht ist einer der verbliebenen Freunde des Grafen von Armagnac der Attentäter, vielleicht will jemand Rache für dessen Tod in Paris«, bemerkte ich, während wir alle beobachteten, wie der Onkel des Prinzen sich hinter die Brücke zurückzog, um sich zu erleichtern. »Hast du schon mal daran gedacht?«
Sayds Miene blieb unbewegt. »Möglich wäre es, doch ich hoffe nicht, dass der Dauphin dergleichen dulden würde. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein König über einen persönlichen Verlust hinwegsieht, um das Wohl seiner Untertanen zu garantieren.«
Ich sah Sayd an. Hatte er dergleichen einst für sein Volk getan? Eigentlich hätte mich die lange Zeit, die ich schon auf dieser Welt war, lehren sollen, dass es nicht lohnte, unruhig zu sein. Aber in meiner Magengrube rumorte es beinahe ebenso schlimm wie damals, als ich zur Prüfung der Sieben Wunden geholt wurde. Ich hasste unsere Unwissenheit, und vom ganzen Hinschauen auf die möglichen Attentäter schmerzte mir bereits der Nacken.
Die Verhandlungspartner ließen sich Zeit. Weder der Prinz noch der Burgunderfürst ließen sich blicken, dafür ertönte wenig später Hufgetrappel neben uns.
»Sie kommen!«
David brachte sein Pferd zum Stehen. Da ihm bei der ganzen Warterei langweilig geworden war, hatte er einen kurzen Erkundungsritt entlang des Flusses unternommen.
»Ich habe den Tross gesehen, er ist etwa fünf Meilen entfernt.«
»Und in welcher Begleitung rückt der Burgunder an?«
»Er hat ein paar Soldaten bei sich. Zwar sind die schwer bewaffnet, aber zahlenmäßig ist der den Orléans unterlegen. Ein gutes Zeichen, wenn du mich fragst.«
»Es könnte die Orléans aber auch ermutigen, eine Dummheit zu machen«, gab Belemoth zu bedenken.
»Was meinst du, Sayd?«, fragte ich, doch unser Anführer ließ sich mit seiner Antwort Zeit.
»Lassen wir die Dinge ihren Lauf nehmen«, sagte er schließlich rätselhaft und ging zu seinem Pferd.
Tatsächlich zeigte sich der Tross von Johann Ohnefurcht nur wenig später. An der Spitze ritt ein kleiner, dunkelhaariger Mann, dessen Erscheinung mich überraschte. Ich hatte mir den Burgunderfürsten größer, imposanter vorgestellt. Der Mann, den ich zu Gesicht bekam, wirkte auf den ersten Blick wie ein Kaufmann, der sich aus Angst vor Räubern von einem Trupp Soldaten begleiten ließ. Johann Ohnefurcht hatte zweifelsohne in vielerlei Hinsicht das Herz eines Kaufmanns, doch man sagte
Weitere Kostenlose Bücher