Das Herz der Kriegerin
du eben in Starre verfallen«, bemerkte Saul und reichte seinem Freund die Hand. »Aber ich glaube kaum, dass es sie töten kann.«
Jared zuckte mit den Schultern, dann richtete er sich wieder auf. Noch immer waren seine Beine etwas wacklig, aber die Wärme war in seine Gliedmaßen zurückgekehrt und die Taubheit vollkommen verschwunden.
»Wo ist die Karawane?«, fragte Jared, nachdem er sich kurz umgesehen hatte.
»Was glaubst du denn? Während du hier dein kleines Experiment vollführt hat, ist sie weitergezogen. Und mit ihnen auch die Derwische.«
»Wenn sie überhaupt dort waren.«
»Nun, immerhin warst du derjenige, der so etwas für möglich gehalten hat. Deshalb sind wir ja dieser Route gefolgt.«
»Mag sein, aber jetzt haben wir endlich ein Zeichen erhalten.« Noch einmal betrachtete Jared den Skorpion, dann schob er ihn in seine Tasche und strich sich mit dem Daumen über die blaue Einstichstelle, die allmählich verblasste. »Lasst uns der Handelsroute nun den Rücken kehren. Wir haben die Skorpione. Wenn wir uns jetzt westwärts bewegen, sollten wir irgendwann auf die letzte Oase stoßen. Und dann können wir uns endlich an die Arbeit machen.«
Nach zwei Wochen, in denen wir versucht hatten, Erkenntnisse über eventuelle Attentäter einzuholen, waren wir so schlau wie vorher. Keine Vision suchte Sayd heim, keinen Engländer spürten wir auf, und alles, was wir erfuhren, waren vage Gerüchte, die nicht auf einen Attentäter schließen ließen.
Ich tat meinen Dienst in der Küche des Palais, eine recht undankbare Arbeit, die mich wieder froh sein ließ, dass mein Vater mir einst die Rolle der Stammesführerin und nicht die der Hausfrau zugedacht hatte.
Während wir Kessel und Töpfe scheuerten, plapperten die Mädchen vor sich hin, allerdings waren ihre Geschichten nicht besonders ergiebig. Bei ihnen drehte sich alles um Burschen und Ehemänner, darüber, was werden sollte, wenn der Krieg die Mitte Frankreichs erreichte und wie viele Kinder sie wohl haben würden, wenn sie erst einmal einen Mann gefunden hatten.
Ich schwieg dazu meistens, denn was gingen mich ihre Burschen an? Engländer waren diese nicht, auch keine Meuchelmörder, soweit ich es mitbekommen hatte. Zwar war auch ein Stallbursche in der Lage, ein Messer zu führen, doch warum hätte er dies tun sollen?
Das Gerede der anderen Frauen weckte außerdem wieder die Sehnsucht in mir – Sehnsucht nach Gabriel und auch nach Sayd, was mich zutiefst verwirrte. Ach, hätten sie doch nur über Verschwörungen, englische Spione und Meuchelmörder geredet …
Abends, wenn alle auf ihren Strohsäcken schliefen, schlich ich mich aus der Küche, nahm meinen geheimen Weg nach draußen und sah zu, dass ich zu unserer Herberge kam, die inzwischen nicht mehr die schäbige Schenke war, sondern ein sauberes, solides Wirtshaus auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt.
»Was ist mit unserem Verdächtigen?«, fragte ich, nachdem ich zum Fenster hineingeklettert war. Meine Freunde waren wieder einmal dabei, ihre Waffen zu schärfen. Wie ich sie beneidete! Immerhin mussten sie weder unbequeme Kleider tragen noch sich irgendwelche Geschichten anhören!
»Ah, Laurina, glänzen alle Töpfe?«, fragte David spöttisch.
Vor ein paar Tagen war Sayd auf einen Mann aufmerksam geworden, der als möglicher Attentäter in Frage kam. Er war, so hieß es, ein Sympathisant der Engländer und hätte eine sehr ungewisse Vergangenheit. Natürlich waren nicht alle Männer, deren Stammbaum man nicht verfolgen konnte, potentielle Assassinen, doch da es die einzige Spur war, die wir verfolgen konnten, hatte Sayd es sich zur Aufgabe gemacht, ihn im Auge zu behalten.
»Was ist nun mit dem Mann?«, hakte ich nach und zupfte mir ein paar Zweige, die beim Klettern durch die Hecke in meinem Zopf hängengeblieben waren, aus dem Haar.
Sayd stieß ein Brummen aus. »Ich fürchte, wir haben mit ihm nur unsere Zeit verschwendet. Dass er mit den Engländern sympathisiert, ist ebenso unwahr, wie seine unklare Vergangenheit. Er stammt aus Nancy und wahrscheinlich ist es seiner eigenbrötlerischen Natur geschuldet, dass die Leute ihn nicht besonders mögen. Wie es so ist, hängen sie ihm dann alles Mögliche an.«
Seufzend ließ ich mich auf Sayds Bettkasten nieder. »Also doch wieder nichts. Ich frage mich, wie lange ich noch in dieser Küche bleiben soll. Die Mädchen erzählen nichts Interessantes. Vielleicht könnte ich mich in der Stadt umhören?«
»Da würdest du genauso
Weitere Kostenlose Bücher