Das Herz der Kriegerin
ging von ihm aus. Vom Hass, der noch Wochen zuvor recht deutlich von seinen Augen abzulesen war, war nun nichts mehr zu merken.
Dieser Sinneswandel verwunderte nicht nur mich, sondern auch Sayd, jedenfalls wenn ich seine Miene richtig deutete.
»Dann ist der Dauphin also einverstanden?«
»Warum sollte er es nicht sein. Offenbar will Johann ihm wirklich die Krone überlassen. Und die Engländer sollen bereits wieder ihre Truppen verstärken, um weiter ins Land zu marschieren. Es bleibt ihm also keine andere Wahl, als jetzt etwas zu unternehmen.«
»Wann werdet Ihr aufbrechen?«
»In zwei Tagen.«
»Dann werden wir Euch begleiten.«
Tanneguy sah uns verwundert an. »Aber Ihr wolltet doch nicht, dass der Dauphin …«
»Wir haben nicht vor, im Gefolge des Dauphin zu reiten. Wir wollen nur in der Nähe sein – für alle Fälle.«
»Ihr meint, dem Dauphin droht Gefahr?« Fast wirkte du Chastel, als wollte er sein Schwert ziehen. »Wenn es jemand wagt …«
»Bleibt ruhig, Monsieur, es gibt keinen Hinweis darauf, dass dem Prinzen Gefahr droht«, beschwichtigte ich ihn, indem ich meine Hand auf seine legte. »Außerdem haben wir bisher auch noch keine Bestätigung dafür gefunden, dass die Engländer den Verhandlungen entgegenwirken wollen. Wir werden lediglich in Eurer Nähe bleiben und sicherstellen, dass nichts geschieht. Ihr kennt uns doch, Tanneguy, wir haben Eurem Herrn auch beim letzten Mal treu gedient.«
Noch immer loderte der Hass in du Chastels Augen. Galt diese Regung uns? Dem Burgunder? Wie sehr wünschte ich, Jareds Fähigkeit zu besitzen, eine Lüge zu erkennen, die Menschen zu durchschauen …
Unter meiner Berührung entspannte er sich schließlich und senkte den Blick. »Natürlich kenne ich Euch. Und ich werde Euch ewig dankbar dafür sein, dass der Dauphin in jener Nacht nicht den Burgundern in die Hände gefallen ist.«
»Das wird er auch diesmal nicht«, versprach Sayd. »Die Verhandlungen werden dem Land Frieden bringen; Ihr werdet sehen. Und jetzt gehabt Euch wohl und zu niemandem ein Wort über unser Treffen.«
»Natürlich nicht.« Du Chastel verneigte sich kurz und begleitete uns dann noch bis zur Treppe.
»Meinst du wirklich, dass mit dem Gespräch der beiden Fürsten der Frieden einkehren wird?«, fragte ich, als wir zu unserer Herberge zurückkehrten. Wieder war Sayd in seine merkwürdige Schweigsamkeit verfallen.
»Das hoffe ich. Jedenfalls sagte die Vision, dass der Dauphin dem Land den Frieden bringen wird. Allerdings …«
Er stockte, eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen.
»Ja?«
»Allerdings erscheinen mir die Bilder mit der Zeit immer undurchsichtiger, verworrener. Ich habe gehofft, dass sich wie damals bei Saladin etwas einstellen würde, das mir Klarheit verschafft. Doch Allah gibt mir kein Zeichen.«
»Nun, die Vision vom Mord an dem Burgunderfürsten muss immerhin ziemlich deutlich gewesen sein.«
»Das war sie. Und auch wiederum nicht. Zumindest wissen wir bis jetzt nicht, welche Hand den Dolch führt.«
»Das werden wir wohl bald erfahren.«
»Ja, das werden wir. Und ich bete zu Allah, dass er uns die Weitsicht gibt, den Mörder rechtzeitig zu erkennen, bevor das Land noch mehr Schaden nimmt.«
Das Schweigen kehrte zurück.
»Dann muss ich morgen also nicht mehr in die Küche?« Fragend zog ich eine Augenbraue hoch und grinste Sayd dann breit an.
»Natürlich nicht. Wir werden damit beschäftigt sein, uns auf die Reise vorzubereiten.«
Freya sei Dank! Nur schwerlich konnte ich mich bezähmen, diesen Ausruf laut durch die stille Gasse zu schicken.
»Dann kann ich ja auch wieder Männerkleider tragen.«
»Sobald wir die Stadt verlassen haben, ja.«
Ich überlegte kurz und fragte dann weiter: »Versprichst du mir etwas?«
»Was denn, sayyida ?«
»Dass ich nie wieder die Küchenmagd spielen muss. Es war ja sehr … erkenntnisreich, aber ich fürchte, ich werde auf weitere zweihundert Jahre keine verkrusteten Kessel mehr sehen können.«
Sayd legte lachend den Arm um meine Schulter und gab mir einen Kuss auf die Schläfe.
»Das wirst du wohl auch nicht müssen. Beim nächsten Mal schicke ich David in die Küche, als Schmied kennt er sich mit Ruß und Hitze aus.«
»Gefallen wird ihm das aber nicht.«
»Dir hat es ja auch nicht gefallen.«
Für einen Moment trafen sich unsere Blicke und so nahe, wie sich unsere Gesichter waren, hätte nur eine Bewegung genügt, damit unsere Lippen einander begegneten. Doch Sayd zog sich plötzlich
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