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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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ernst. Nein, von diesem Bürschchen würde er sich weder das Vergnügen von Karolines Unterricht noch die Freude an Sophies Gesellschaft rauben lassen! Und wenn er gezwungen sein würde, schärfere Maßnahmen zu ergreifen.
    Das erinnerte ihn wieder an den Vater und den unerwarteten Blutsturz, der ihn sein Leben gekostet hatte. Was schrieb sie? Man habe ihn in seinem Blut gefunden? Der Tod wäre in den frühen Morgenstunden eingetreten? Und das nicht etwa kurz nach seinem Unfall, nein, nachdem die Ärzte ihn bereits als geheilt aus dem Spital entlassen wollten!
    Etwas schmeckte ihm daran nicht, auch wenn der alte Mann ihm gleichgültig war und er von seinem Tod vermutlich profitieren würde. Der Verdacht stieg in ihm auf, dass dieser Todesfall ganz und gar nicht zu den natürlichen zu rechnen war. So weit, so gut. Aber warum? Warum gerade dieser alte Mann im Spital? Keine der möglichen Antworten gefiel ihm, denn den Zufall konnte er in diesem Fall nicht gelten lassen.
    Die Kutsche hielt mit einem Ruck vor dem Palais des Fürsten Kinsky und unterbrach die finsteren Grübeleien des Grafen.
    »Sie sehen umwerfend aus, meine Teuerste!« Das war nicht geschmeichelt. Nicht nur, dass das Kostüm ihr prächtig zu Gesicht stand und ihrer schönen Figur schmeichelte, es ging in dieser Nacht ein inneres Strahlen von Therese aus, das sie jung und geheimnisvoll zugleich aussehen ließ und äußerst begehrenswert! András beugte sich über ihre Hand.
    Die Fürstin strahlte ihn offen an. »Sie sind aber auch nicht zu verachten, lieber Freund. Diese Haut wie Porzellan, weiß und glatt, aber genauso kalt und hart. Ich sage Ihnen, jedes weibliche Wesen wird sich nach Ihnen verzehren! Wie machen Sie das nur, so überirdisch und entrückt zu wirken?«
    »Ich bin überirdisch und von dieser Welt entrückt«, entgegnete er mit einem Augenzwinkern und handelte sich einen Klaps mit ihrem Fächer ein.
    »Wenn schon, dann unterirdisch und diabolisch!«, korrigierte Therese, und András stimmte ihr zu, während er ihr in die Kutsche half.
    Ihr Weg war nur kurz, dennoch wäre es undenkbar gewesen, zu Fuß zu gehen. Nicht nur, weil ihr Schuhwerk nach nur wenigen Schritten durch den Schnee durchnässt und für immer ruiniert worden wäre. Das war einfach ganz und gar unmöglich!
    Goran passierte das Tor und bog in den Platz hinter der Hofburg ein, wo die Schlitten auf sie warteten und sich die Kutschen der anderen hohen Gesellschaftsmitglieder drängten. In zwei der größeren Schlitten nahmen die Musikanten Platz, einige waren nur für die Fackelträger in ihren farbenprächtigen Uniformen bestimmt. In ein paar breiteren Schlitten, die üppig mit Pelzen ausgelegt waren und von zwei oder vier Pferden gezogen wurden, würden die älteren Herrschaften dem Spektakel beiwohnen, die sich nicht am Türkenstechen beteiligen wollten, und sich anschließend bequem und warm nach Schönbrunn hinausbringen lassen.
    András entdeckte die Kutsche der Kinskys. Auch Therese hatte sie gesehen und reckte den Kopf, wen das Los ihrem Gatten zugespielt hatte.
    »Das ist das Wappen der Windisch-Graetz dort am Schlitten«, sagte sie mit einem schadenfrohen Kichern. »Er wird doch nicht …«
    »Nein, er wird nicht das Vergnügen haben, die alte Fürstin persönlich kutschieren zu dürfen«, ergänzte András, der genau wusste, was Therese sagen wollte. »Sie hat ihren Platz einem jüngeren Mitglied der Familie überlassen.«
    Therese betrachtete die Comtesse, eine Cousine der Fürstin, die sich nun von Fürst Kinsky in den Schlitten helfen ließ, mit abschätzendem Blick.
    »Sie ist weder schön, noch kann ich ihr kränklich grünes Kostüm als klug gewählt bezeichnen«, sagte sie kühl, und selbst ein objektiver Beobachter musste dieser Beobachtung zustimmen. »Dafür scheint sie aber die Redefreude der Familie geerbt zu haben«, fügte sie mit einem spöttischen Lächeln hinzu. »Ich denke, meinem Gemahl wird es an diesem Abend unter ihrem Redeschwall nicht langweilig werden. Sehen Sie? Sie hält den Mund nicht länger als einen Augenblick geschlossen!«
    András schmunzelte. »Ich wusste nicht, dass sie so boshaft sein können, liebe Freundin.«
    Therese feixte. »Erstens wussten Sie das sehr wohl, denn das ist eine meiner Eigenschaften, die Ihnen Vergnügen bereiten – ja, das habe ich wohl bemerkt! Und außerdem kann ich gar nicht mehr als die Wahrheit sagen. Die Wirklichkeit ist grausamer, als ich es je sein könnte! Oder haben Sie schon einmal jemand gesehen,

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