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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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András zurück ist.«
    Vielleicht war es gerade der kühle Tonfall, der Karoline in Angst versetzte. Sie griff nach Sophies Hand.
    »Komm schnell. Solltest du wirklich recht haben, dann werden wir es ihr nicht so einfach machen!«
    Sophie raffte ihr Kleid und eilte neben der Mutter her zu der wartenden Kutsche. »Wo fahren wir hin?«, keuchte sie.
    »Raus aus Hamburg. Zu diesem Haus in Blankenese. Baurs Park, hat er gesagt, nicht wahr?«
    »Und András?«, protestierte Sophie, als die Mutter den Wagenschlag aufriss und sie unsanft ins Innere schob.
    »András wird uns dort finden. Unterschätze ihn nicht.«
    »Aber er weiß nicht, dass Ileana hier ist. Er läuft geradewegs in ihre Falle, wenn wir ihn nicht warnen!«
    »Und was schlägst du vor? Willst du dorthin direkt in die Hölle fahren und ihn suchen?« Ihre Hand wies nach Süden, wo der flackernde rote Schein von den dichter werdenden Rauchschwaden reflektiert wurde.
    »Ja!«, gab Sophie trotzig zurück, der dieser schreckliche Anblick erspart blieb.
    »Niemals! Du musst seinen Kräften vertrauen. Er kann sich selbst helfen.«
    Karoline schlug die Tür zu und hatte den Kutschbock schon fast erklommen, als eine kalte Stimme sie erstarren ließ.
    »Ich finde den Vorschlag deiner Tochter durchaus charmant«, gurrte sie. Karoline spürte einen Stoß im Rücken, dass sie geradezu auf den Kutschbock hinaufflog. Ehe sie ihr Gleichgewicht wiedergewonnen hatte, sprang eine Gestalt vom Boden in einem Satz zu ihr herauf und ließ sich neben sie auf die Bank fallen. Karolines schlimmster Albtraum wurde wahr, und er trug einen Namen: Ileana. Sie wandte den Kopf, und nun bekam der Alb auch ein Gesicht und eine Gestalt. Groß war sie und schlank, beinahe hager mit denselben dunkeln Haaren und Brauen wie András. Ihr Haar war dicht und lang, dass es ihr bis fast auf die Hüften fiel. Sie sah nach vorn, so dass Karoline zuerst nur ihre rechte Gesichtshälfte sehen konnte. Ihre Haut war porzellanartig hell und fein, dennoch wirkten ihre Züge nicht einnehmend. Vielleicht weil in ihnen der Hass glühte, der für kein gutes Gefühl Raum zu lassen schien.
    Für einen Moment wandte Ileana den Kopf und ließ Karoline einen Blick auf ihre andere Gesichtshälfte erhaschen. Karoline prallte zurück. Was war das? Eine Kraterlandschaft dunkler Narben zog sich von der Stirn über die Wangen bis zum Hals herab. Plötzlich begriff sie. Das Weihwasser, von dem Sophie erzählt hatte, hatte die Vampirin entstellt und ihren Hass noch angeheizt. Nein, Gnade durften sie nicht erwarten. Dieses Wesen wurde allein von Finsternis beherrscht.
    Ileana ließ die Rappen anziehen. »Du wirst doch nicht so dumm sein, dich vom Kutschbock zu werfen? Das ist nicht ratsam. Du könntest dir alle Knochen brechen. Nein, das würdest du nicht tun. Du bist eine Mutter und brächtest es nicht über dich, mir deine Tochter zu überlassen, nicht wahr? Also halte dich schön fest und genieße die Fahrt!«, fügte sie mit einer gehässigen Grimasse hinzu. »Es ist vermutlich das Letzte, was du in diesem Leben genießen wirst.«
    Karoline antwortete nicht. Sollte sie sich auf diese Unterhaltung einlassen? Sie wusste, dass kein Argument der Welt die Vampirin überzeugen würde, sie und Sophie unversehrt laufen zu lassen. Selbst wenn sie weinen und betteln würde, und das verbot ihr der Stolz. Nein, ihre Würde wollte sie bewahren, bis zum Schluss. Wie auch immer es enden sollte.
    Genauer dachte sie lieber nicht über die Möglichkeiten nach. Die Vampirin dirigierte die vier Rappen in den Strom der Flüchtlinge und Plünderer, der ihnen zu Fuß und in allerlei Wagen und Karren entgegenkam. Karoline war fast dankbar, dass Ileanas halsbrecherische Fahrweise sie zwang, sich festzuklammern und sich ganz darauf zu konzentrieren, nicht hinuntergeschleudert zu werden. Ileanas Miene war eine verzerrte Maske, während sie die Pferde rücksichtslos voranzupreschen zwang, ohne sich um Menschen und Tiere zu kümmern, die sich vor den Hufen und den ihnen folgenden Wagenrädern in Sicherheit zu bringen suchten.
    Die Luft wurde immer schlechter. Qualm und Asche wirbelten um sie und reizten zum Husten. Sie rasten direkt auf den unheimlich rot glimmenden Dom zu, der sich über der Stadt weit hinauf in den Nachthimmel aufwölbte. Flackerndes Licht erleuchtete die Häuser vor ihnen und tauchte die Wände in Blut. Es wurde immer heißer, und das ferne Knistern steigerte sich in ein Fauchen. Irgendwo sackte ein Gebäude mit Getöse in sich

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