Das Herz der Nacht
solche, die sich einen Vorteil davon versprachen, wenn ihr Name im Zuge mit dem des Fürsten ausgesprochen wurde.
Dumme Dinger! Wie viele mussten noch erfahren, dass die kurze Zeit der Aufmerksamkeit und der teuren Geschenke die Ewigkeit danach nicht aufwog? Wie schnell war ein Ruf zerstört, und wie lang konnte das Gedächtnis der Wiener Gesellschaft in diesen Dingen sein! Das war etwas anderes bei den Schauspielerinnen und Tänzerinnen, bei denen es schon fast zum guten Ton gehörte, dass ein Adelsmann von gutem Namen sie protegierte – und dafür natürlich auch mit Gefälligkeiten rechnen konnte.
Nun jedenfalls schwankte Therese beim Anblick des zur Grimasse verzogenen Antlitzes ihres Gatten zwischen Schaudern und einem Kichern, während das Mädchen sich und ihre Zuhörer durch die Arie quälte.
»Verehrte Fürstin, ich muss mich wundern. Sie scheinen sich zu amüsieren? Das ist schade, denn ich kam, Sie von dieser Gesellschaft zu entführen.«
Seine Stimme so unerwartet zu hören stieß einen feurigen Strahl durch ihren Leib und raubte ihr für einige Augenblicke die Gewalt über jedes Wort, das sie hätte aussprechen mögen. Sie konnte ihn nur anstarren und ihn mit ihrem Blick verschlingen. Er sah so unglaublich gut aus mit seiner makellosen, bleichen Haut, obwohl oder gerade weil er keine der Extravaganzen einging, denen die jungen Männer so gern erlagen. Sein Frack war schwarz und von tadellosem Schnitt. Die langen Pantalons, die man seit ein paar Jahren auch zur Abendgarderobe trug, schmiegten sich eng um seine gut geformten Beine. Das Halstuch war raffiniert, aber unaufdringlich gebunden. Der einzige Schmuck, den sie ausmachen konnte, war ein Ring mit einem schönen Smaragd.
Etwas, das sie in ihrer Jugend einmal gespürt und dann vergessen hatte, brandete plötzlich in ihr auf. War das Begehren? Therese erschrak vor ihrem eigenen Gefühl. Vor der Stärke, mit der es sie überkam, und über die Unschicklichkeit desselben. War sie nun nicht besser als die Männer in ihrer zügellosen Wollust? Sie fühlte, wie Scham ihre Wangen rötete.
»Habe ich Sie erschreckt? Wie kann das sein? Mussten Sie nicht damit rechnen, dass ich hier auftauche und Sie zur Rede stelle, dass Sie unser Kutschiertraining gegen einen Abend im Hause Windisch-Graetz, noch dazu mit solch künstlerischen Darbietungen eintauschen?« Der nächste schrille Ton ließ ihn das Gesicht verziehen, als habe er auf eine Zitrone gebissen.
Therese fand ihre Stimme wieder und lachte laut auf. Empört drehten sich einige der Gäste um, und die Mutter des bedauernswerten Wesens warf der Fürstin einen Blick zu, der einer tödlichen Klinge glich.
Graf Báthory ließ sich neben ihr in einen freien Stuhl sinken. »Was haben Sie dieser Frau in ihrem geschmacklosen gelben Kleid angetan, dass sie Sie so ansieht?«, fragte er interessiert.
»Sie ist die Mutter des bedauernswerten Wesens am Flügel, das sich so sehr um die Töne bemüht, ohne sie je zu treffen«, gab die Fürstin mit einem unterdrückten Kichern Auskunft.
»Mutter und Tochter, soso, das erklärt einiges.« Der Tonfall ließ die Fürstin wieder kichern.
»Außerdem denke ich, die bedauernswerten Wesen sind eher die Zuhörer«, berichtigte der Graf. »Aber was hat die Dame gegen Sie, außer dass Sie nicht die übermenschliche Selbstbeherrschung besitzen, solch Qualen ohne Zeichen des Schmerzes über sich ergehen zu lassen?«
Graf Báthory zog einen Monokel aus der Tasche – den er sicher nicht nötig hatte – und betrachtete die Dame damit so scharf, dass sie sich mit einem Ruck zu ihm umdrehte. Sie war nicht in der Lage, seinem Blick auch nur einen Augenblick standzuhalten. Mit niedergeschlagenen Augen wurde sie in ihrem Sitz immer kleiner, als habe jemand Luft aus einem Ballon gelassen.
Therese hob die Schultern. »Ich habe das Pech, mit dem Mannverheiratet zu sein, der seine augenblickliche Aufmerksamkeit auf dieses Kind richtet – wobei ich nicht sagen kann warum. Ihrer Sangeskünste wegen kaum! Zumindest kann man nicht kuhäugiger zu einem Mann aufsehen, als sie das im Moment tut.«
Das Lied war inzwischen zu Ende, und die Gäste spendeten erleichtert Beifall, wobei sie tunlichst vermieden, eine Zugabe zu fordern. Das Mädchen strahlte den Fürsten an, der sich vorbeugte und einen Kuss auf die noch jungen Schultern drückte. Dabei ließ er etwas in ihr Dekolleté fallen. Mit einem fast hysterischen Kichern drückte sie sich beide Hände an den Busen und sah mit einladend
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