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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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waren?«
    Goran überlegte, gestikulierte und zeigte dann mit den Fingern die Zeit an.
    »Gestern also, zu Mittag, da hast du eines benutzt«, übersetzte András. »Dann müssen sie danach in fremde Hände geraten sein. Ich nehme an, du hast keines der vier aus dem Block entfernt?«
    Der gekränkte Blick des Dieners erforderte keine weiteren Erklärungen.
    »Das bedeutet, dass jemand hier im Palais in der Küche war und die Messer entwendet hat!«
    Gorans Augen funkelten, und András spürte, dass der Zorn sowohl dem dreisten Eindringling als auch seinem eigenen Versagen galt. Er musste für die Sicherheit des Rückzugsortes seines Herrn sorgen, wenn dieser nachts unterwegs war, und – noch wichtiger – für die Unversehrtheit, solange er über Tag wehrlos in seinem Sarg lag.
    András tadelte ihn nicht. Goran würde sich selbst genug Vorwürfe machen und seine Wachsamkeit sicher verstärken. Dazu bedurfte es keiner Worte. Viel wichtiger war es, die Spuren aufzunehmen, die der Dieb hinterlassen hatte, ehe der nahende Sonnenaufgang den Vampir zur Untätigkeit verdammte.
    »Nimm dir eine helle Lampe und sieh zu, ob du irgendwelche Hinweise auf den Eindringling entdecken kannst. Ich nehme seine Witterung auf.«
    András brauchte nicht lange, den Geruch des Diebes und vielleicht auch Mörders aufzuspüren. Ein Mann, unauffällig, wenig Schweiß, keine Spuren von Angst oder Nervosität. Ein abgebrühter Bursche, der vielleicht im Handwerk des Einbruchs geübt war, vermutete András, denn Gorans Bemühungen blieben erfolglos.
    Der herannahende Tag zwang sie, die Suche abzubrechen. Goran folgte András in das herrschaftliche Gemach, dessen prächtiges Himmelbett wie immer unbenutzt bleiben würde. Der Vampir öffnete die versteckte Tapetentür zum Ankleidezimmer.
    »Ist sonst noch etwas vorgefallen, das ich wissen müsste?«, fragte András, während Goran den Deckel des Sarges aufklappte. Er ließ ihn los, gestikulierte und deutete zur Tür. Dann legte er die Hand an die Stirn und tippte auf seine Schultern.
    »Ah, die Herren der Kriminalpolizei waren wieder da. Wann war das? So gegen acht, habe ich das richtig verstanden? Und sie wollen wiederkommen? Wie schön. Nun, dann können wir nur froh sein, dass unser edler Spender, wer auch immer er sein mag, dies blutige Werkzeug erst nach dem Besuch der Polizei hier deponiert hat. Verloren hat, will ich nicht sagen, denn an einen Zufall kann nun keiner mehr glauben. Jemand treibt ein unschönes Spiel mit uns, das ich noch nicht recht verstehe. Vielleicht war es gar Absicht, dass er erst danach an unsere Schwelle trat, um uns zu drohen oder zu verhöhnen? Ich weiß es nicht zu sagen.«
    Der Vampir stieg in den Sarg und legte sich auf den Rücken.
    »Vier Messer«, sagte er nachdenklich. »Dann fehlen uns noch drei. Nein, ich möchte eigentlich nicht wissen, was er damit vorhat. Aber ich fürchte, wir werden es erfahren, ob es uns nun lieb ist oder nicht.« Goran nickte grimmig.
    »Wasch es sauber ab und steck es zu den anderen. Und halte die Augen offen!«
    Goran kreuzte die Finger, was so viel bedeutete wie: »Darauf können Sie sich verlassen, Herr!«
    Dann klappte er den Deckel zu, und der Vampir verfiel in seine todesähnliche Starre.
    Als András den Deckel wieder öffnete, galten seine ersten Gedanken nicht blutigen Messern und unbekannten Eindringlingen. Nein, er fühlte sich seltsam beschwingt und war schon auf dem Weg in die Belletage hinauf, um im Musiksalon an seinem Flügel noch einige Takte zu üben, als ihm der Eklat der Nacht zuvor wieder einfiel. Der Schwung und die überschäumende Freude verwehten. Langsam, fast schleppend stieg er die letzten Stufen hinauf. Er setzte sich an den Flügel und ließ einige Töne erklingen, aber alles, was er begann, klang wie ein Trauermarsch. Die leichten Walzerklänge wollten sich nicht einstellen.
    War sein Unterricht hiermit zu Ende? Sollte es das gewesen sein? Nein! Er hatte erst an der Frucht der Musik geleckt. Es war noch ein weiter Weg, ihre ganze Süße zu schmecken. Und vorerst brauchte er die Anleitung eines Lehrers, um voranzukommen.
    Nun, einen Lehrer für das Pianoforte zu finden, dürfte in einer Stadt wie Wien nicht schwer sein. Natürlich nicht. Dennoch widerstrebte es András, sich auf jemanden Neues einzulassen. Er wollte zu Karoline und ihren Händen lauschen, die mit den Tasten des Flügels eins zu werden schienen. Es verlangte ihn danach, ihre angenehme Stimme zu hören und nach ihren Anweisungen mit

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