Das Herz der Nacht
vor dem Grauen hier gewarnt haben? Ich bitte Sie, Therese, das hat meine Neugier geweckt.«
Die Fürstin klatschte erfreut in die Hände. »Dann ist mein hinterhältiger Plan also aufgegangen! Kommen Sie, mein Freund, ich möchte Sie einigen Mitgliedern der Gesellschaft vorstellen, die sich durch ausgesuchte Hochnäsigkeit auszeichnen.«
»Und die Sie dennoch verpflichten konnten? Mein Kompliment!«
Therese lächelte ein wenig stolz. »Ja, man muss bei jedem nur wissen, wo man ihn an seiner Eitelkeit packen kann.«
»Erzählen Sie mir ein wenig über diese ungewöhnliche Veranstaltung. Ich komme trotz Ihres Briefes nicht ganz mit«, gestand András.
»Das kann ich mir denken. Ich sollte vielleicht in Zukunft meine Gedanken erst ein wenig sortieren und ihnen eine verständliche Form geben, ehe ich sie zu Papier bringe.« Die Fürstin versuchte sich an einer zerknirschten Miene, während sie sich bei Graf Báthory unterhakte und ihn in den hohen Saal führte, der von seinen mächtigen Kronleuchtern hell erleuchtet wurde. Die Spiegel und Teppiche waren wie in vielen Palästen in Weiß, Rot und Gold gehalten. Nicht nur der große Festsaal war geöffnet, überall strömten Menschen durch die Gemächer und Appartements und ließen sich von Lakaien Champagner oder Limonade reichen.
»Sehen Sie sich um«, forderte ihn die Fürstin auf. »Was fällt Ihnen auf?«
Zuerst wollte András behaupten, alles sei wie gewöhnlich bei solchen Festen, doch irgendetwas stieß ihm auf. Er ließ den Blick noch einmal über die verschiedenen Grüppchen der Gäste schweifen und stutzte. Das war es. Die Menschen waren wie Magnete. Sie traten aufeinander zu, begrüßten einander und bildeten kleine Gruppen, die lachten, tranken und plauderten. Die unterschiedlichen Vereinigungen jedoch schienen so gepolt zu sein, dass sie sich nicht mehr als einige Schritte annähern konnten. Wobei die Blicke der einen als begehrlich, der anderen eher mit distanziert zu beschreiben waren. Auch die Garderobe zeigte Unterschiede. Die Distanzierten waren so gekleidet, wie es András aus seinem Umfeld gewohnt war. Manche eher schlicht, andere extravagant, aber alle mit erstklassigem Schnitt nach der neuesten Mode. In der anderen Gruppe fanden sich dagegen Kleider, die auf den ersten Blick durchaus ähnlich wirkten, denen aber die exakte Passform oder die Stoffe fehlten, dann wieder Kleidungsstücke, die man seit ein oder gar mehreren Jahren in der Gesellschaft so nicht mehr tragen würde. Prunkvolle Schmuckstücke entdeckte András jedoch auch in den Dekolletés der Damen, die nicht nach der herrschenden Mode gekleidet waren, auch wenn diesen vielleicht ein wenig das Feuer fehlte.
»Billige Steine à la Strass«, sagte Therese, die seinem Blick gefolgt war. »Aber täuschen Sie sich nicht, in mancher dieser Familien ist mehr Geld zu finden als unter den Dächern der traditionellen Hochnäsigkeit, die nur unzureichend verbergen kann, dass ihr Lebensstil heutzutage ausschließlich mit Schulden hochgehalten wird. Den Bürgern dagegen fehlt der Stil und die Noblesse, die sie sich mit ihrem Geld zu gerne kaufen würden. Sie möchten die Schranken durchbrechen und dazugehören. Das ist ihr größter Wunsch, und diesen nutze ich für meine Sammlung aus!«
»Ah, ich verstehe. Das Mittel für ihre Wohltätigkeitssammlung ist eine Abendveranstaltung, die das reiche Bürgertum entzückt und die Herren und Damen der Gesellschaft die Leidensmiene der Duldung aufsetzen lässt.«
Therese nickte vergnügt. »Ja, es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas versuche, und es klappt immer!«
András ließ noch einmal den Blick schweifen. Nun konnte er die Gruppen deutlich unterscheiden: Die Bürger, die sich im warmen Schein der alten Aristokratie sonnten und ihr fast kindliches Staunen nicht verbargen, und dann die Damen und Herren des Adels, deren Mienen zeigten, wie großzügig sie es von sich selbst fanden, sich für solch eine Veranstaltung herzugeben. Und während die Bürger die Köpfe zusammensteckten und sich nur in gedämpftem Ton unterhielten, präsentierte sich der Adel ungeniert, winkte sich zu und rief Grußworte, plauderte laut und ungehemmt.
»Sie tun alles für den guten Zweck! Man soll ja nicht behaupten, sie würden ihre Augen vor unverschuldetem Leid verschließen«, spottete Therese. »Und so wagen selbst die Herren und Damen des alten Adels, die sich niemals zu einer Gesellschaft begeben würden, bei der normale Bürger anwesend sind, nicht meine
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