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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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an.
    »Was wird Ihr Bruder dazu sagen? Er wird es Ihnen verbieten.«
    »Ich lasse mir nichts mehr verbieten. Außerdem ist er jeden Abend unterwegs.«
    András unterdrückte ein Schmunzeln. »Sie wollen es ihm nicht sagen? Auf den ersten Blick ist das der Weg des geringsten Widerstands …«
    »… aber Sie finden es feige, nicht wahr?«, ergänzte Karoline.
    András wiegte den Kopf hin und her. »Nein, es ist verständlich. Vielleicht brauchen Sie erst ein wenig Übung, sich in ihrer neuen Welt zurechtzufinden, aber Ihnen muss klar sein, dass die Wahrheit Sie irgendwann einholt, und dann wird es sicher nicht leichter für Sie.«
    Karoline zog eine Grimasse. »Sie haben wieder einmal recht, und ich will sehen, ob ich den Mut finde. Jedenfalls wollte ich Sie fragen, ob ich Sophie zu den Stunden mitbringen kann und ob Ihr Diener dann auch im Hause wäre.«
    »Das würde der Sache einen respektableren Anstrich geben, ja, ich verstehe. So ließe es sich machen. Doch ist Sophie denn damit einverstanden, bei uns im Musiksalon zu sitzen und Stunde um Stunde meinen Übungen zu lauschen?« Er wandte sich an das Mädchen, das bisher noch kein Wort gesprochen hatte, dem Gespräch jedoch sichtlich aufmerksam folgte.
    »Ich bin es gewohnt, dazusitzen und zu warten. Es ist schon eine Abwechslung, hierher zu kommen. Ich habe auf dem Weg die Pferde des Kaisers gehört und gerochen. Es sind seine weißen Lipizzaner, nicht wahr?«
    András bestätigte die Vermutung. Es sah das Mädchen an, dessen riesige, schwarze Augen in die Ferne gerichtet waren und dessen Miene für einen Moment reine Verzückung widerspiegelte. Weil sie ein paar Pferde gerochen hatte! Wie arm musste ihr Leben bisher verlaufen sein.
    Vielleicht hatte Karoline Ähnliches gedacht, denn ihre Stimme klang ein wenig zu laut und unnatürlich, als sie sich erhob und vorschlug, mit dem Unterricht zu beginnen. Auch Sophie erhob sich gehorsam und folgte ihnen mit einer Sicherheit durch den unbekannten Raum, die András staunen ließ. Sie summte vor sich hin und lauschte aufmerksam dem sich verändernden Klang, wenn sie sich einem Möbelstück näherte. Auch der Vampir beherrschte die Methode der Fledermäuse, selbst wenn er nicht über deren für das menschliche Ohr nicht mehr vernehmbaren Töne verfügte. In absoluter Dunkelheit, wenn seine Augen versagten, war dies ein bewährtes Mittel, sich ein Bild von der Umgebung zu verschaffen. Wobei er immer wieder feststellen musste, dass er es in seiner menschlichen Gestalt nie zu derselben Vollkommenheit brachte wie eine Fledermaus, die selbst feinste Konturen, Drähte oder die Struktur einer Oberfläche anhand des Echos auflösen konnte. Wenn András in einer Stadt unter so vielen Menschen wohnte, nutzte er die Fähigkeit, seine Gestalt zu wandeln, nicht häufig. Ab und zu jedoch stieg in ihm das Verlangen auf, die Welt mit den Sinnen einer Fledermaus zu erfassen. Es war faszinierend!
    Und nun traf er auf ein Kind, das diese Fähigkeit – wenn auch nur in Ansätzen, aber doch vom gleichen Prinzip – für sich zu nutzen gelernt hatte. Wirklich erstaunlich!
    András führte Mutter und Tochter in den Musiksalon. Karoline stieß angesichts des Flügels einen Ruf der Begeisterung aus.
    »Was für ein herrliches Stück! Ich muss Ihnen gratulieren. Ein Meisterwerk Wiener Klavierbauerkunst.« Fast ehrfürchtig strich sie über den schimmernden Deckel und die Tasten.
    András schob zwei Stühle für Karoline und Sophie heran und setzte sich dann auf die Klavierbank, wandte sich aber noch einmal um. Der Diener stand ein wenig unschlüssig in der offenen Tür.
    »Goran, würdest du uns eine Erfrischung besorgen? Wein und Limonade für die Damen und vielleicht etwas Kuchen und Konfekt. Oder auch Kaffee und Kipferl?« Er sah fragend von Sophie zu Karoline, den leicht panischen Ausdruck in Gorans Miene ignorierend. Er würde sich halt etwas einfallen lassen müssen.
    »Danke, Graf Báthory, das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Für Sophie bitte keinen Kaffee. Ich dagegen muss gestehen, dass ich ihn leidenschaftlich liebe.«
    »Ich möchte gern eine heiße Schokolade!«, meldete sich Sophie zu Wort, was ihrer Mutter sichtlich peinlich war.
    »Sophie!«
    András wehrte ab. »Aber gern, Goran wird sich darum kümmern!«
    Der Diener verbeugte sich und zog sich mit zweifelnder Miene zurück.
    »Er spricht nicht viel, Ihr Diener«, meinte Sophie. »Ich habe noch kein einziges Wort von ihm gehört.«
    »Was daran liegt, dass er nicht sprechen

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