Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
presste sie eine Hand auf ihr Herz. »Horatio ist mein Sohn, mein Sorgensohn. Ich liebe ihn. Glauben Sie bloß nicht, dass ich mich freue, dass er mit einer Weißen zusammenlebt. Aber ich liebe ihn, ich bin seine Mutter. Da spielt es manchmal keine Rolle, welche Hautfarbe das Gegenüber hat.«
Sie sah Ruth an, und Ruth erkannte in ihren Augen Angst und Liebe. »Horatio hat sich immer sehr für unsere Rechte eingesetzt. Mein Mann und meine anderen Söhne übrigens auch. Sie haben gegen die Zwangsumsiedlung unserer Leute eine Demonstration organisiert, haben sich danach um die Familien der Toten und Verletzten gekümmert. Vielleicht haben Sie davon gehört?« Mama Mwasube streifte Ruth mit einem kurzen Blick.
»Wir haben uns auf dieser Demonstration kennengelernt«, erklärte diese.
»So? Ich wusste nicht, dass Sie auch dort waren. Wie auch immer. Horatio hat einen klugen Kopf, seine Brüder sind Menschen, die auf ihre Gefühle hören. Horatio hat jahrelang für die SWAPO gearbeitet. Im Untergrund natürlich. Ebenso wie seine Brüder. Dann ging er plötzlich fort, und wir dachten, unsere Sache wäre ihm nicht mehr wichtig. Bis er uns besucht hat, keine vier Wochen ist das her. Meine Söhne forderten ihn auf, bei Ihnen, am Rande der Kalahari, die Schwarzen um sich zu sammeln, mit ihnen gemeinsam gegen die Weißen zu arbeiten. Horatio wollte nicht.«
»Er wollte nicht?« In Ruth stieg Scham auf. Horatio hatte sein Versprechen ihr gegenüber gehalten. Er hatte sie und Sally nicht verraten, hatte sich sogar dafür gegen die eigene Familie gewandt.
»Nein, er wollte nicht mehr politisch arbeiten. Er erklärte uns, dass es falsch wäre, gegeneinander zu kämpfen. Wir Schwarze müssten mit den Weißen gemeinsame Sache machen, um ohne Gewalt zu einem Ziel zu gelangen.«
»Ja, so hat er argumentiert. Auch unseren Arbeitern gegenüber. Er ist sehr beliebt bei ihnen.«
»Das freut mich.« Mama Mwasubes Gesicht hellte sich auf. »Mein Mann und Horatios Brüder waren sauer. Sie haben Horatio nicht verstanden, dachten, er habe sich den Weißen, habe sich Ihnen, mein Kind, angedient. Sie dachten, er wäre ein Handlanger der Weißen geworden. Sie hielten ihn für einen Verräter und vertrauten ihm nicht mehr.«
»Aber so ist es nicht!« Ruth fasste Horatios Mutter bei den Oberarmen. »Sie müssen mir glauben. Er hat nie aufgehört, für die Schwarzen zu sein. Nie! Er hat niemanden verraten. Nie! Glauben Sie mir doch bitte. Sie sind doch seine Mutter. Sie müssen doch wissen, dass er nicht zum Verräter taugt.«
Die Augen der schwarzen Frau wurden feucht. »Jetzt, da Sie hier sind, da Sie sich für uns interessieren, für Horatios Leben, für seine Herkunft, da bin ich mir nicht mehr sicher. Horatio ist eingesperrt, sagen Sie. Also hat er weiter für unsere Sache gearbeitet. Was können wir für ihn tun?« Die Frau sah Ruth jetzt offen an. Innerhalb von Minuten waren aus Gegnern Verbündete geworden.
»Ich weiß es nicht, Frau Mwasube. Ich weiß nicht einmal genau, weshalb man Horatio eingesperrt hat. Es heißt, er habe Waffen aus unserer Waffenkammer gestohlen. Das ist Blödsinn; er hätte sie nicht stehlen brauchen; er wusste stets, wo der Schlüssel ist. Und er hätte sie, wenn er sie denn genommen hätte, wieder zurückbringen können. Aber die Waffen fehlen noch immer. Es heißt, er habe damit die Zuchtstiere der Nachbarn erschossen. Aber auch das stimmt nicht; Horatio war nicht da, als das geschah. Er war – das weiß ich jetzt – bei Ihnen in Windhoek. Ich bin auf dem Weg nach Swakopmund, ich möchte mit seinem Anwalt reden, will wissen, was genau ihm vorgeworfen wird.«
Horatios Mutter legte ihre schwarze, von der Arbeit zerschundene Hand auf Ruths. »Ich danke Ihnen, Kind. Er hat also einen Anwalt, ja?«
Ruth nickte. »Mein Schwager hat ihn ihm besorgt.«
»Trauen Sie ihm? Dem Anwalt, meine ich?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Ruth. »Ich traue meinem Schwager nicht. Vielleicht sollte ich deshalb auch dem Anwalt misstrauen.«
»Es gibt in Swakopmund einen Anwalt, der unsere Sache vertritt. Vielleicht sollten Sie sich an ihn wenden.«
»Ein Weißer?«, fragte Ruth.
Mama Mwasube schüttelte den Kopf. »Ein Mischling, ein Baster aus Rehoboth. Der Nachkomme einer Nama und eines Weißen, der das Glück hatte, von seinem weißen Großvater anerkannt und gefördert zu werden. Er hat in Deutschland studiert. Ihm können Sie vertrauen.«
»Ich werde erst zu ihm gehen, wenn ich mit unserem nicht zufrieden bin«,
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