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Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Titel: Das Herz der Savanne - Afrika-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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mir gleich, ob es schwarz oder weiß oder grün ist. Das ist es nicht, Horatio. Ich habe nur noch nie etwas so Winziges in den Händen gehalten. Ich habe Angst, ich könnte ihm wehtun.« Sie sah unglücklich von dem Baby zu Horatio.
    »Wirklich?«
    »Ja.«
    Horatios Züge entspannten sich. »Komm her«, flüsterte er. »Hab keine Angst. Sieh nur, es ist eingeschlafen. Es muss vollkommen erschöpft sein.«
    »Es ist so winzig. So winzig, so zerbrechlich.«
    »Streck die Arme aus, komm. Es kann nichts passieren.«
    Ruth tat es, und Horatio legte ihr das Kind sorgsam in den Arm.
    Ruth hielt besorgt den Atem an, doch nach einer kleinen Weile wiegte sie das Kind sacht, roch an seinem Haar. »Es ist wunderschön«, sagte sie leise.
    »Ja, das ist es.« Horatio küsste Ruth sanft und genoss den Moment, da das Kind geborgen zwischen ihnen schlief.
    Wenig später sah Horatio sich in der Hütte um. In einer Ecke fand er blutbefleckte Tücher und eine umgestoßene Wasserflasche. »Ich glaube, es wurde hier geboren«, sagte er.
    »Aber wo ist die Mutter? Und wer ist der Vater?«
    Horatio zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht hat es eine Frau zurückgelassen, die es aus irgendeinem Grund nicht behalten konnte. Eine Frau von einem Nomadenstamm. Woher soll ich das wissen?«
    »Und was sollen wir nun tun? Stell dir vor, die Mutter kommt zurück und sieht, dass ihr Kind nicht mehr da ist. Sie wird furchtbare Angst um es haben.«
    »Wir könnten ihr eine Nachricht hinterlassen.«
    »Und wenn sie nicht lesen kann?«
    »Hmm.« Horatio überlegte einen Moment. Dann eilte er hinaus, riss ein Blatt aus seinem Notizbuch. Mit wenigen Strichen zeichnete er ein Baby und ein Herrenhaus, verband die beiden Bilder mit einem Pfeil. »Ist das eindeutig?«
    »›Das Baby ist im Herrenhaus‹, lese ich daraus«, erklärte Ruth.
    »Ja. Und dorthin bringen wir es. Am besten hältst du das Kind, und ich führe dein Pferd am Zügel. Wir müssen langsam reiten, damit es nicht wach wird und sich ängstigt.«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Sollten wir es nicht umgekehrt machen? Ich kann besser reiten, und du scheinst dich besser mit Säuglingen auszukennen.«
    Horatio schüttelte den Kopf. »Nein, wir machen es auf die übliche Art: der Frau das Kind, dem Mann das Pferd.«
    So zogen sie auf den Hof wie einst Maria und Josef nach Bethlehem. Flankiert von Mama Elo und Mama Isa standen Corinne und Rose auf der Veranda und erwarteten sie bereits.
    »Gott im Himmel, das hat mir gerade noch gefehlt«, zischte Rose. »Corinne hat mir ja schon erzählt, welch prächtigen Fund sie gemacht hat, aber müsst ihr das Kind denn gleich mit herbringen? Was hat es hier zu suchen?«
    Ruth und Horatio waren einen Moment lang sprachlos. Mama Elo aber kam sofort zu Ruth, nahm ihr das Kind ab, barg es an ihrem weichen Busen und flüsterte auf es ein, bis es die Augen aufschlug. Sogleich ertönte ein solch anklagendes Gebrüll, dass Rose sich die Ohren zuhielt.
    »Wir brauchen Windeln und Fläschchen«, sagte Mama Elo selig lächelnd. »Schlafen kann es erst einmal im Wäschekorb, aber wir brauchen noch einen Schnuller. Und natürlich ein paar Sachen, die wir dem Baby anziehen können. Strampler und Jübchen und so etwas.«
    »Schluss!«, donnerte Rose und nahm die Hände von den Ohren. »Hört sofort mit dem dummen Geschwätz auf! Wir brauchen nichts dergleichen! Das Ding da wird zu den Hütten der Schwarzen gebracht. Sollen die sich um es kümmern.«
    »Los, macht schon!« Corinne stieß Ruth mit dem Ellbogen in die Seite. »Bringt es von hier weg! Willem kommt heute. Ich möchte nicht, dass er zu allem Unglück auch noch ein schwarzes Baby sieht.«
    Ruth konnte den Blick nicht von dem Kind lassen. Sie war ganz versunken, als hätte sie die Worte rings um sich nicht gehört.
    »Das geht nicht«, erklärte Horatio. »Das Kind kann auf gar keinen Fall zu den Schwarzen.«
    Rose stöhnte. »Warum nicht? Es ist schwarz. Wo soll es herkommen, wenn nicht von denen?«
    »Es ist nicht schwarz, es ist nicht weiß, es ist irgendetwas dazwischen.« Nun sahen alle auf das Kind, dessen milchbraune Hautfarbe sich von Mama Elos tiefer Schwärze deutlich abhob. Horatio fuhr fort: »Die Nama werden es nicht annehmen. Und wenn doch, so werden sie es zu einem Heiler bringen, weil sie meinen, es sei verhext. Der Heiler wird den weißen Teufel austreiben wollen, der seiner Meinung nach in dem Kind steckt. Ich glaube nicht, dass der Säugling diese Zeremonie überlebt. Wenn ihr

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