Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
Einkaufstüten auf den Boden und verschränkte locker die Arme vor der Brust. Doch bevor sie die erste Frage stellen konnte, sagte Ruth: »Entschuldige bitte, du weißt ja selbst: Mit einem Säugling rennt dir die Zeit davon.«
Als sie zurück zur Farm kamen, war der Dodge bis unter das Dach beladen. Rose stand auf der Veranda, hielt ihr verschlossenes Gesicht in die Sonne. Ruth sah, dass sie noch immer sehr gekränkt war. Und mit einem Mal tat es ihr leid, ihre Mutter vorhin so angefahren zu haben.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie daher versöhnlich, als sie die ersten Tüten auf die Veranda trug.
»Sonja Miller hat angerufen. Sie will heute Nachmittag zu einem kurzen Besuch vorbeikommen. ›Rose, du musst überglücklich sein! Ein Baby ist doch immer eine Freude‹«, äffte Rose die Nachbarin nach. »Was, um Himmels willen, hast du ihr erzählt?«
»Nichts. Sie hat in den Wagen gesehen, die Babysachen entdeckt und wohl ihre eigenen Schlüsse gezogen.«
»Und was soll ich ihr sagen, wenn sie kommt?«
»Erzähl ihr, was du willst. Du kannst es ja mal mit der Wahrheit versuchen.« Schon wieder klangen Ruths Worte barscher, als sie es wollte.
»Ich werde Willem sagen, dass Horatio das Kind angeschleppt hat. Ich habe mir überlegt, dass das am logischsten klingt«, teilte Corinne mit, die soeben auf die Veranda getreten war. Sie trug einen neuen Seidenschal um den Hals, hielt aber den Kopf so merkwürdig steif, dass Ruth ihre Einkaufstüten abstellte. »Was hast du da?«, fragte sie mit leiser Häme.
Corinne winkte ab. »Nichts weiter. Ich habe mich nur ein wenig am Hals verbrannt.« Sie löste sie den Schal und entblößte eine dollargroße Brandwunde.
Ruth wich entsetzt zurück. »Was hast du getan? Du hast dich selbst verbrannt, um den Knutschfleck vor Willem zu verbergen?«
Corinne reckte das Kinn. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst, Ruth. Ich habe mich verbrannt, das ist alles. Jeder Hausfrau ist das schon einmal passiert.«
»Gut, dass du keine Hausfrau bist! Ich möchte zu gern wissen, was für eine Ehe ihr eigentlich führt.« Kopfschüttelnd nahm Ruth ihre Tüten und ging ins Haus. Sie stellte die Tüten noch in der Diele ab und machte sich sogleich auf die Suche nach Mama Elo.
Diese hatte sich in der Zwischenzeit von einem der Arbeiter eine Kommode vom Speicher holen lassen und beobachtete nun, wie er handbreite Leisten an drei Seiten nagelte. »Sei vorsichtig«, wies sie den Mann an. »Und sieh zu, dass kein Splitter am Holz ist.«
Als Ruth eintrat, drehte sie sich zu ihr um: »Schau mal, das wird unsere Wickelkommode. Die Leisten verhindern, dass Sally herunterfällt.«
Ruth nahm ihr das Baby aus dem Arm. »Geht es ihr gut?«, fragte sie.
»Aber ja. Wir haben Ziegenmilch warm gemacht und es vom Finger saugen lassen. Jetzt muss die Kleine noch gebadet werden. Sie ist wirklich süß.«
»Sie?« Horatio war hinzugekommen, strich dem Kind behutsam mit dem Finger über die Wange.
»Ja, es ist ein kleines Mädchen.«
»Wir haben eine Tochter!«, erklärte Horatio gerührt. »Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht.«
»Tochter?« Mama Elo zog die Stirne kraus. »Was soll das heißen?«
»Wir sind ihre Eltern, Horatio und ich. Darf ich vorstellen: Sally Salden, geboren am 26. März 1960 auf Salden’s Hill.«
Mama Elos Gesicht strahlte. »Sie bleibt also hier? Hier bei uns auf der Farm?«
»Natürlich«, erklärte Ruth. »Wo soll sie sonst hin? Du musst zugeben, fürs Internat ist sie noch ein wenig zu klein.«
»Das ist ja wunderbar!« Mama Elo umarmte Ruth und gab ihr einen dicken Kuss auf die Wange. »Dann darf ich mich um sie kümmern? Ein wenig jedenfalls? So, wie ich mich um deine Mutter und um Corinne und dich gekümmert habe?«
»Das wirst du wohl müssen. Ich muss mich ja trotzdem um die Farm kümmern. Und Horatio ebenfalls.«
Wenig später fuhr Willem van Leuwen mit einem nagelneuen Mercedes laut hupend auf die Farm.
Horatio hatte gerade wieder im Hof Kuhhörner mit Mist gefüllt und kam näher, als er Willem hörte.
»Schau dir mein Baby an!«, rief Willem schon von Weitem. »Ist es nicht fantastisch? Drei Rückspiegel, links, rechts und in der Mitte. Die Sitze aus Kalbsleder, und, mein Lieber, das Beste: ein nagelneues Autoradio. Stereo! Was sagst du jetzt?«
Obwohl Willem nicht laut sprach, gellte seine Stimme über den Hof. Horatio nickte gequält. Ihm war es, als bohrte sich ein extrem dünner und schmaler Bohrer mit jedem Wort schrill durch seine Ohren
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