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Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Titel: Das Herz der Savanne - Afrika-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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flüsterte sie. »Mein Gott, wie sehr ich dich liebe.«

Sechstes Kapitel
    A uch am nächsten Tag standen Ruth und Horatio bis zu den Knien in der Jauchegrube und füllten Kuhhörner. Eigentlich wäre das heute Santos Aufgabe gewesen; Ruth und Horatio hatten nach Gobabis fahren wollen, um Einkäufe zu erledigen. Doch Santo war nicht gekommen, und seine Frau wusste auch nicht, wo er war. »Seit gestern Abend ist er weg«, hatte Thala gesagt. »Mit unserer Ältesten, Ama. Ich weiß nicht, wo sie sind.«
    Horatio hatte die Stirn gerunzelt. »Ist eure Älteste krank?«
    Thala sah zu Boden und zuckte mit den Schultern.
    »Womöglich ist er mit Ama bei einem Heiler«, hatte Horatio später Ruth gegenüber vermutet. »Die Nama trauen den Ärzten nicht immer. Sobald die Schulmedizin versagt oder nicht sofort das gewünschte Ergebnis bringt, rennen sie zu den Heilern.«
    Ruth nickte. »Einer meiner Arbeiter hatte den Tripper. Gott allein weiß, woher. Der Heiler hat ihm geraten, mit einer Jungfrau zu schlafen, dann heile der Tripper von allein. Es hat mich unendliche Geduld gekostet, ihn stattdessen Penicillin schlucken zu lassen.«
    »Santo wird wiederkommen.«
    »Ja«, bestätigte Ruth. »Das wird er. Schon allein, um seine Fehlstunden abzuarbeiten.«
    »RUTH!!! RUHUTH!!!« Corinne ritt im gestreckten Galopp auf den Hof, stoppte atemlos das Pferd. Schaum flockte dem Tier vom Maul, sein Fell glänzte von Schweiß.
    »Um Himmels willen, was schreist du denn so? Im Übrigen solltest du die Stute nicht so jagen, sie hat erst vor Kurzem gefohlt.«
    »Das ist jetzt nicht wichtig!«, schrie Corinne, und Ruth erkannte einen hysterischen Unterton. »Dahinten, in der Viehtreiberhütte ... da liegt ein Kind. Ein Neugeborenes. Und es schreit wie am Spieß.«
    »Ein Säugling in unserer Hütte?« Ruth schüttelte den Kopf. »Wo soll der denn herkommen?«
    »Jetzt mach schon! Unternimm irgendwas!« Corinne schnappte nach Luft.
    »War jemand in der Nähe?«
    »Nein, verdammt, kein Mensch weit und breit. Irgendwer hat es ausgesetzt.«
    »Und warum hast du es nicht mitgebracht?« Ruth begriff noch immer nicht, was Corinne von ihr wollte.
    »Weil es schwarz ist!« Sie wendete das Pferd. »Du musst es holen. Es ist deine Farm.« Dann ritt sie davon, ohne Horatio eines einzigen Blickes zu würdigen.
    Ruth blickte zu Horatio. Der hatte sein Werkzeug bereits weggelegt und wischte sich die Hände an einem Lappen sauber. »Dann komm«, sagte er. »Wir werden sehen, was in der Viehtreiberhütte passiert ist.«
    Es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis sie die Hütte erreicht hatten. Und tatsächlich! Das Geschrei eines Babys durchbrach die Stille.
    »Corinne hatte recht«, flüsterte Ruth, öffnete behutsam die Tür und eilte zu dem in Tücher gewickelten Bündel, das auf einem Haufen Stroh lag. Sie kniete sich neben das winzige Kind und sah hilflos auf es herunter. »Wie bist du denn hierhergekommen?«, fragte sie. »Wo ist deine Mama? Was sollen wir mit dir tun?«
    »Es kann auf keinen Fall hierbleiben. Wahrscheinlich hat es Hunger und Durst. Nachts streichen hier Hyänen herum. Und Schakale. Wir nehmen es mit ins Herrenhaus. Heb es auf, Ruth.«
    Aber Ruth rührte sich nicht. Sie hockte neben dem Kind, betrachtete es, sah sein vor lauter Brüllen hochrotes Gesicht, strich dem Säugling jedoch nicht über das verschwitzte Köpfchen, griff nicht nach der winzigen Hand.
    »Was ist? Wir müssen uns beeilen. Wer weiß, wie lange es schon hier liegt. Womöglich ist seine Gesundheit in Gefahr.«
    »Ja«, erwiderte Ruth, rührte sich aber noch immer nicht.
    »Heb es auf! Na los, jetzt mach schon!«
    »Ich kann das nicht.« Ruth war wie gelähmt.
    »Ach! Du kannst es nicht. Weil das Kind schwarz ist? Hast du Angst, deine Hände könnten schmutzig werden, wenn du es anfasst?« Horatio packte Ruth bei der Schulter und zog sie von dem Kind weg. »Aus dem Weg! Du bist wie deine Schwester, bist wie alle Weißen! Ein Kind ist in Not, und du denkst nur über seine Hautfarbe nach.« Horatio sah sie mit einem so vernichtenden Blick an, dass Ruths Herz aus dem Takt geriet.
    Er bückte sich, nahm das Kind, drückte es an seine Brust. »Scht, scht, mein Kleines. Bald geht es dir besser«, flüsterte er und wiegte es sanft. Schon hörte das Baby auf zu schreien.
    Jetzt trat Ruth näher, strich zaghaft mit dem Finger über die Wange des Kindes.
    »Lass es in Ruhe!«, herrschte Horatio sie an. »Es braucht deine verlogenen Streicheleien nicht.«
    Ruth schluchzte. »Es ist

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