Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
warf einen verärgerten Blick auf das Baby, dann drehte sie sich um, holte aus der Küche eine Schere und schnitt die Paketschnüre entzwei.
»Was soll das werden, wenn es fertig ist?«
Rose Salden stand mit einem Mal mitten im Esszimmer, den Blick auf Corinne gerichtet, die mit der Schere gerade das Packpapier zerfetzen wollte.
»Die Pakete sind gerade gekommen. Als Empfänger ist nur ›Salden‹ angegeben. Ich wollte sehen, was drinnen ist.«
Rose zog die Augenbrauen hoch. »Wenn ich mich recht erinnere, heißt du nicht mehr Salden, sondern van Leuwen. Was also hast du an den Paketen zu schaffen?«
Corinne verdrehte die Augen. »Ich war einfach nur neugierig. Ist das so schlimm? Sag schon, was ist drin?«
Rose nahm ihr die Schere aus der Hand. »Nichts für dich. Die Sachen sind für Ruth. Ruth Salden. Salden , verstehst du? So, wie es auf dem Paket steht.«
»Ruth Salden? Was ist mit mir?« Unbemerkt war Ruth ins Esszimmer gekommen. Sie wirkte bekümmert.
Rose trat zu ihr und legte ihr einen Arm um die Schulter. »Ich habe ein paar Sachen für dich eingekauft, meine Liebe.«
»Du? Für mich?«
»Ja. Aus Deutschland.«
»Ich brauche nichts.«
Rose sah ihre Tochter streng an. »Du bist nicht nur Farmerin, meine Liebe, du bist zugleich auch eine Grundbesitzerin. Hier in dieser Gegend gehörst du zur High Society.«
»Pfft!« Ruth schüttelte ihre roten Locken. »Kann Corinne diesen Job nicht übernehmen?«
»Auf gar keinen Fall!« Rose Salden hob die Hände mit den Handflächen nach vorn und schloss für einen Moment die Augen. Damit war die Debatte für sie beendet. »So, und jetzt pack aus. Ich möchte dein Gesicht sehen.«
Ruth verdrehte die Augen, dann nahm sie dennoch die Schere, zertrennte ordentlich das Papier und öffnete den Karton.
»Oooooooooooohhhhhhhhhhhhh!«, schrie Corinne auf und riss ein dunkelgrünes Kleid aus dem Karton. Sie hielt es sich an, tänzelte damit vor den Spiegel. »O mein Gott! O mein Gott! Dieses Kleid ist ein Traum!«
Ruth sah ihr gelangweilt zu, doch Rose riss Corinne das Kleid aus der Hand. »Wenn es dir so gut gefällt, dann bitte deinen Ehemann, dir auch so ein Kleid zu kaufen.«
Corinne zog einen Schmollmund.
Rose reichte Ruth das Kleid. »Da, zieh das an. Ich möchte sehen, ob es dir steht.«
»Muss das sein? Ich habe draußen viel Arbeit.« Ruth gab sich betont mürrisch. Sie dachte an Lüderitz zurück. Dort hatte sie sich zum ersten Mal neue Kleider gekauft, sogar Unterwäsche. Aber damals war sie allein gewesen, hatte selbst gewählt und sich hinterher vor dem Spiegel gedreht. Schön hatte sie sich gefunden, sich allein an ihrer Schönheit und den neuen Kleidern gefreut. Hier aber standen ihre Mutter und ihre Schwester, warteten auf Begeisterungsstürme, doch Ruth war so verlegen, dass sie weder wusste, was sie sagen, noch, was sie tun sollte.
»Es muss sein.«
Ruth seufzte, schlüpfte aus ihrem Overall und griff verlegen nach dem Kleid.
»Halt!«, bestimmte Rose Salden. »Du willst doch nicht etwa in diesem ... diesem Unterzeug in das Kleid steigen?«
Ruth betrachtete ihre weiße, kochfeste Unterwäsche, einen einfachen Büstenhalter und einen Schlüpfer ohne jeglichen Zierrat.
»Warum nicht? Was hat das Kleid mit meiner Unterwäsche zu tun?«
Rose Salden erwiderte nichts, sondern reichte ihrer Tochter einen lindgrünen Büstenhalter nach der neuesten Mode und ein Höschen mit gepufften Beinausschnitten und zahlreichen Falten.
»Was soll das denn sein? Dieser BH sieht aus wie die Tüten, mit denen Mama Elo immer die Sahneverzierungen auf den Kuchen spritzt. Ich bin doch keine Torte! Und das Höschen erst! Sally hat so etwas als Windelhöschen. Nein, Mutter. Nein. Ich will und werde nicht aussehen wie eine gewindelte Torte!«
Corinne kicherte gehässig, aber Rose hielt ihrer jüngsten Tochter stumm weiter die Unterwäsche vor die Nase.
Mama Elo wiegte das Baby und trug ein Lächeln im Gesicht.
»Haaaach! Also gut! Wenn es euch Freude macht, mich wie ein Zirkusäffchen auszuputzen!«
Mit angeekelter Miene nahm Ruth die beiden Stücke und zog sie an. Dann betrachtete sie sich ungläubig im Spiegel. »So gehen Frauen auf die Straße? Mit Büstenhaltern, die aussehen wie Waffen? Und Höschen, die andere Leute als Lampenschirme benutzen? Es gibt tatsächlich Frauen, die das machen? Ich kann es nicht glauben!«
»Ja, das machen Frauen. Genau das. Und zwar in aller Welt. Ich gebe zu, diese Tüten-BHs stehen nicht jeder, aber du kannst so etwas
Weitere Kostenlose Bücher