Das Herz der Savanne - Afrika-Roman
dich leider enttäuschen. Ich habe so was schon die ganze Zeit geahnt. Wer ein Kind zu sich nimmt, will auch einen Mann dafür.«
»Und das willst du zulassen? Du hast Ruth eigens dafür Sachen aus Europa kommen lassen? Bist du von Sinnen, Mutter?«
»Was soll das? Kann ich meiner kleinen Tochter nicht mal eine Freude bereiten, wenn ich meine große Tochter schon seit Wochen mit durchfüttern muss?«
Corinne erstarrte, doch mit einem Mal entspannten sich ihre Züge. »Du hast etwas vor, Mutter. Ich kenne dich. Ich sehe es an deinen Augen. Was ist es? Wie willst du die Hochzeit verhindern? Wie willst du den Schwarzen loswerden?«
Rose Salden zwinkerte ihrer Ältesten zu. »In mancher Hinsicht scheinst du tatsächlich über so etwas wie Intelligenz zu verfügen. Aber leider reicht sie nicht aus, um meine Gedanken erraten zu können.«
Corinne warf den Kopf zurück. »Bild dir bloß nichts ein. Deine Pläne kenne ich. In den wenigsten Fällen kommt etwas dabei heraus. Aber ich, liebe Mutter, habe schon längst etwas unternommen.«
»Du?«
»Ja, ich.«
»Du wagst es, dich in meine Angelegenheiten zu mischen?« Rose war fassungslos. »Was hat sich dein krankes Hirn ausgedacht? Los, spuck es aus! Jetzt, auf der Stelle!«
Corinne schüttelte den Kopf. »Nein, Mutter. Jetzt bin ich einmal am Zug. Kein Wort wirst du von mir erfahren.«
Zwanzigstes Kapitel
W ährend der ganzen Fahrt nach Swakopmund dachte Horatio an Ruth. Eigentlich hatte er ihr einen richtig romantischen Heiratsantrag machen wollen, wie es bei den Weißen Sitte war. Er hatte heute einen Ring kaufen wollen und übermorgen Abend hatte er ein Picknick auf dem Green Hill vorbereiten und Ruth mit seinem Antrag und dem Ring im Champagnerglas überraschen wollen. Doch jetzt war alles ganz anders gekommen, und Horatio ärgerte sich nicht mehr über Ruth, sondern nur noch über sich selbst.
Vor dem Autofenster zog die Landschaft vorüber. Endlose Sandflächen, nur hin und wieder ein paar Kameldornbäume am Rand, sonst nichts als Steppengras und roter Sand.
Als Horatio auf der Höhe von Windhoek war, überlegte er kurz, ob er bei seiner Familie vorbeischauen sollte. Doch sie würden ihn wieder fragen, ob er noch schwarz sei, würden ihm Aufgaben übertragen und nichts von Ruth und der kleinen Sally wissen wollen.
Horatio schüttelte den Kopf, als er daran dachte. Er fühlte sich zerrissen. Auf der einen Seite standen seine schwarzen Brüder, die Anforderungen an ihn stellten, auf der anderen Seite stand Ruth, die ebenfalls Wünsche an ihn hatte.
Vor Wochen noch hatte Horatio geglaubt, es wäre nicht so schwer, Schwarz und Weiß zu mischen. Gemeinsam, hatte er gedacht, müssten sich alle Probleme lösen lassen. Schwarz und Weiß – Hand in Hand. Doch jetzt hatte er lernen müssen, dass es an der Bereitschaft dazu fehlte. Schwarz blieb Schwarz und wollte Schwarz bleiben, und die Weißen hatten sowieso niemals vorgehabt, gemeinsame Sache mit den Schwarzen zu machen. Selbst die Baster aus Rehoboth blieben für sich und interessierten sich weder für die Schwarzen noch für die Weißen. Und er selbst stand mittendrin, gehörte weder zu den einen noch zu den anderen. Nein, es war viel schlimmer. Alle zerrten an ihm. So sehr, dass er beinahe vergaß, was er selbst wollte.
Ja, dachte er, nahm den Fuß vom Gas, um eine Herde Zebras über die Pad zu lassen. Was will ich überhaupt? Früher, noch vor einem halben Jahr, war das ganz klar gewesen. Er wollte die Geschichte seines Volkes schreiben, wollte irgendwann eine Frau kennenlernen, sie heiraten und mit ihr Kinder bekommen, eine Familie gründen. Und damit seine Kinder es leichter hatten als er, wollte er für die Rechte der Schwarzen kämpfen – ohne Krieg und Waffen. Mit Worten hatte er kämpfen wollen, und sein Ziel hatte ihm klar vor Augen gestanden: Schwarz und Weiß – Hand in Hand.
Und jetzt? Er hatte eine weiße Frau und eine Baster-Tochter, arbeitete für die Weißen, indem er schwarzes Land bestellte und nach den Rezepten der Schwarzen hergestellten Käse verkaufte.
Horatio seufzte. Erst jetzt, hier, in diesem Auto auf der Pad zwischen Windhoek und Swakopmund, begriff er, dass seine Träume durch die Liebe zu Ruth eine andere Richtung bekommen hatten. Mit einem Mal war ihm bewusst, wie schwierig sein Leben geworden war, wie heimatlos er selbst.
Und trotzdem! Er liebte Ruth. Liebte sie so sehr, dass er das Leben voller Schwierigkeiten und Ablehnung ertragen wollte.
Als Horatio sich das
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