Das Herz der Wueste
sich Dinge zu wünschen …
„Sollen wir es versuchen?“
Schwach meldete sich ihr Verstand, riet ihr, endlich aufzuwachen und, wenn sie schon den Bann nicht brechen konnte, wenigstens auf Distanz zu gehen. Den Händen und Lippen auszuweichen, vor allem den Lippen, diesen sinnlichen, festen Lippen, auf die sie den ganzen Tag lang immer mal wieder verstohlen einen Blick geworfen hatte.
Doch sie rührte sich nicht, als das Gesicht des Mannes näher kam und endlich warme Lippen ihren Mund berührten. Zuerst nur zart, wie der Hauch einer Abendbrise, dann kühner, bis Kamid sie mit einem Kuss eroberte, der sie genauso atemlos machte wie zuvor seine Stimme.
Hier musste eine Elfe am Werk sein, wie sonst könnte ein Kuss so … berauschend sein? Nicht zu fordernd, nicht drängend, stattdessen ein zärtliches Erforschen ihrer Lippen. Und während sein Mund die köstlichsten Empfindungen in ihr weckte, ruhte seine Hand leicht auf ihrem Rücken, als wollte Kamid ihr die Gelegenheit geben, jederzeit zu gehen.
Ebenso gut hätte sie versuchen können, Eisenspäne von einem Magneten abzuziehen. Jenny blieb, wo sie war, erwiderte sogar zaghaft die Liebkosungen. Ihr Herz klopfte heftig, ihre Haut prickelte, und sie verspürte ein warmes Kribbeln im Bauch. Alles Symptome, gegen die sie immun gewesen zu sein glaubte und für die es nur einen Namen gab: Liebe.
Aber hier ging es nicht um Liebe. Es war bloß ein Kuss. Der Mann wusste, wie man küsste, er hatte es anscheinend schon oft getan, und das hätte sie davon abhalten sollen weiterzumachen. Aber sie brachte es einfach nicht über sich, sich von ihm zu lösen …
„Täusche ich mich, oder bist du im Moment in Gedanken weit fort?“, flüsterte er und hielt sie gerade so weit von sich, dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. „Sag bitte, dass du wenigstens über diesen Kuss nachdenkst und nicht darüber, wie du über die Grenze gelangst, um den Jungen zu holen.“
Sie konnte ihn nicht anlügen und lächelte. „Nein, ich habe über Küsse nachgedacht“, gab sie zu. Sofort erschien die vertraute Stirnfalte zwischen den dunklen Brauen.
„Wessen Küsse?“, wollte er wissen, und der barsche Unterton weckte in ihr spontan ein Gefühl von Macht.
Sei nicht albern, schalt sie sich, er kennt dich kaum, wie kannst du bloß denken, er wäre eifersüchtig!
„Keine besonderen“, entgegnete sie munter, als hätte sie Dutzende von Männern geküsst. Dabei war David der Einzige gewesen … „Küsse allgemein.“
Mit einem heiseren Laut riss er sie an sich und küsste sie wieder. Vorbei war es mit dem zärtlichen, verführerischen Erforschen, jetzt nahm er sich stürmisch und voller Leidenschaft, wonach er verlangte. Verzehrende Hitze flammte zwischen ihnen auf, und als Kamid schließlich zurückwich, streckte Jenny Halt suchend die Hand nach ihm aus. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie hatte weiche Knie.
„Wir sagen uns besser Gute Nacht“, murmelte er, während er sich vorbeugte, um sie ein letztes Mal zu küssen. Sein heißer Atem strich über ihre Lippen.
Jenny nickte. „Ja“, brachte sie nur hervor.
Morgen würde sie Marij oder Aisha nach den Peris fragen. Aber vielleicht verbargen sich in der Wüste noch andere Geister. Sollte es in diesen Gegenden nicht Dschinnen geben, Dämonen, die Menschen- oder Tiergestalten annahmen, um Schabernack zu treiben?
War Kamid in Wirklichkeit ein Dschinn, der ihr Leben auf den Kopf stellen wollte?
5. KAPITEL
Leise Stimmen drangen in ihr Bewusstsein. Keine Schreie, kein Wehklagen, sondern ein verhaltenes Flüstern, wie um sie nicht zu stören.
Jenny schlüpfte aus dem Schlafsack, wusch sich und zog sich an, flocht ihr Haar zu einem Zopf und wand sich das Tuch um den Kopf, ehe sie ihren Privatbereich verließ.
Akbar lag still und blass da und starrte zum Zeltdach hinauf, während seine Frau und Kamid auf ihn einsprachen. Schweigend nickte Jenny ihnen zu, hielt sich aber nicht bei ihnen auf. Akbar gehörte nicht zu ihren TB-Patienten, und sie wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen, weil eine andere Frau außer seiner ihn in diesem schwachen Zustand sah.
Außerdem wollte sie Kamid nicht zu nahe kommen, ehe sie nicht für sich geklärt hatte, was gestern Abend passiert war.
Nun ja, sie wusste genau, was geschehen war. Schließlich hatte sie letzte Nacht in jedem wachen Moment daran gedacht. Sie hatte einem praktisch Fremden erlaubt, sie zu küssen, und schlimmer noch, seine Küsse erwidert.
Wild. Sie erschauerte und konnte
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