Das Herz des Eisplaneten
Tür geklopft. Drängend bedeutete sie Yana sich zu beeilen, doch die mußte sich erst der Felle und der Katze entledigen, bevor sie taumelnd auf die Beine kam. Die lange, kalte Fahrt in einer alles andere als bequemen Körperhaltung hatte ihre Gelenke steif werden lassen. Es ärgerte sie, einen ungelenken Eindruck zu machen.
Die Tür wurde geöffnet, und vom Gleißen des Schnees geblendet, konnte Yana nur eine mittelgroße Gestalt ausmachen, die ausnahmsweise einmal nicht von dicken Kleiderschichten entstellt war. Tatsächlich trug der Mann ein Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen hochgekrempelt hatte, und der Kragen stand offen.
»Onkel Sean, erwische ich dich tatsächlich zu Hause! Ich habe Yanaba Maddock mitgebracht, um dich kennenzulernen. Und ich habe eine Bitte an dich. In Clodaghs Namen.« Mit diesen Worten legte Bunny Yana die Hand auf den Rücken und schob sie ins Haus.
69
Blinzelnd, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen, sah Yana sich in einem Raum um, in dem von allen Oberflächen, von der Wand ebenso wie von der Decke, die ungewöhnlichsten Formen hervorragten, eine veritable Wunderhöhle wie aus dem Märchen, und ein Durcheinander ungeordneter Utensilien, Werkzeuge, Ersatzteile und – Katzen. Diese Katzen allerdings waren sechsmal so groß wie das Exemplar, das sie in den Fellen auf dem Schlitten
zusammengerollt zurückgelassen hatte, und keine einzige davon war orangefarben. Feingeschnittene Köpfe drehten sich zu ihr um, und autokratische bernsteinfarbene, gelbe und grüne Augen schätzten sie ab. In einem Korb neben dem Feuer hob eine schwarzweiße Hündin mit Harlekinmaske den Kopf, schnüffelte, schob den Vorderlauf zurück, um die Welpen zu verbergen, die an ihr säugten, und blieb die ganze Zeit wachsam, in der sie sich in Seans Blockhaus aufhielten.
Sean Shongili lächelte, und seine Augen taten das gleiche: funkelnde Silberaugen, die geradewegs in ihre blickten; kluge, sehende Augen, die in einem bedingungslosen Willkomm
schimmerten, ein deutlicher Unterschied zu der oberflächlichen Höflichkeit, die ihr sonst meist zuteil wurde.
Shongili war nicht viel größer als sie selbst. Er besaß eine subtile Ausstrahlung von großer Kraft, Intelligenz und Charme. Ihr gefiel, daß er ein schlanker Mann mit einem schmalen Gesicht war; die Wangenknochen wirkten eher slawisch als indianisch, der üppige Mund wurde von feingeschnittenen Lippen geformt, hinter denen sich weiße, ebenmäßige Zähne andeuteten. Außerdem hatte er ein energisches Kinn. Kein Mann, der leicht von seinem Ziel abzubringen war.
»Sie sind also die Majorin Maddock«, sagte Sean, und sie beeilte sich, den rechten Handschuh auszuziehen, als er ihr eine Hand mit abnorm lang wirkenden Fingern reichte. Yana empfand die Berührung mit seiner haut als elektrisierend und stimulierend.
Dann begannen die Silberaugen zu blinzeln, und irgend etwas in dem veränderten Blick ließ sie leise die Stirn runzeln und verwirrte sie.
70
»Hat denn inzwischen wirklich jeder auf dieser Eiskugel von mir gehört?« fragte sie leicht verärgert. Sie zwang sich zu einem Lächeln, um es mehr wie einen Scherz klingen zu lassen.
»Auf Petaybee verbreiten sich die guten Neuigkeiten schneller als die schlechten«, erwiderte Sean. Anmutig trat er zu dem in jedem Haus auf Petaybee vorhandenen Herd, wo er aus der ebenso allgegenwärtigen Kanne drei Tassen ausschenkte. »Tatsächlich verfüge ich über die einzige Funkverbindung hier zur Stadt. Adak vom Schnokeldepot wird immer ziemlich geschwätzig, wenn etwas Interessantes geschieht. Beispielsweise wenn Kilcoole eine neue Bürgerin bekommt, noch dazu eine Kriegsheldin. Hier ist etwas, um sich nach Ihrer langen Schlittenfahrt aufzuwärmen.«
»Danke«, erwiderte Yana, wobei sie die Bemerkung über die Kriegsheldin ignorierte. »Sie sind sehr gütig.«
Seine Silberbrauen glitzerten, als er die Tasse reichte. »Bunny würde mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, wenn ich nicht den Versuch gemacht hätte, festzustellen, wo Ihr Mund ist«, sagte er und zwinkerte in reinem Schabernack, bevor er Bunny ihre Tasse überreichte.
»Nur zu wahr, Onkelchen«, erwiderte Bunny. »Und außerdem macht Sean ein gutes Gebräu.«
Yana schlang die Hände um das Gefäß, um ihre tauben Finger aufzuwärmen. Der aufsteigende Dampf trieb ihr einen würzigen, einladenden Duft in die Nase.
»Charlie ist gegangen, wie ich hörte«, fuhr Sean fort.
»Ja! Kaum, daß er genug Zeit hatte, um
Weitere Kostenlose Bücher