Das Herz des Eisplaneten
Tränen in ihren Augen Worte fand. Sie wünschte sich, sie wäre noch benebelter, als sie es ohnehin schon sein mußte, wenn sie sich derart gehen ließ.
Wenn sie geradezu routiniert Pflichten wahrnahm, die nicht vom Drill jahrhundertelanger Übung beseelt waren.
Sie vernahm ihre eigene Stimme in der Ferne, und nie hätte sie geglaubt, daß sie sich so anhören könnte: ein heiserer, üppiger Alt, der sich mal senkte, mal anschwoll. Sie merkte auch nicht so recht, was sie da eigentlich sang, bis sie zu den letzten Versen gelangte:
… auch ich wurde hierher entsandt, um zu sterben, hier, wo der Schnee lebt, wo das Wasser lebt, wo Tiere und Bäume leben, und ihr.
Als der letzte Vokal ins Nichts verwehte, neigte sie den Kopf; die Tränen strömten ihre Wangen herab und fielen ihr auf die Hände. Sie konnte sich nicht mehr bewegen und wußte auch nicht, was sie als nächstes tun sollte. Vielleicht würde Sean sie daraus befreien.
Da glitt ein Paar von harter Arbeit rauher Hände über ihre, drückte sie sanft und zog sich wieder zurück, nur um durch ein weiteres Händepaar ersetzt zu werden. Beim dritten Paar hob sie den Blick, denn die Berührung war wie ein Segen, der ihre Trauer heilte und die Tränen dämmte. Sie schaffte es sogar zu lächeln, als ein weiteres Elternpaar ihr die Hände auflegte, um ihr stumm seine Anerkennung zu zollen. Als sie die Tränen in ihren Augen sah, war es, als rissen enge Bänder um ihre Brust.
Nachdem die kleine Zeremonie beendet war, holte Sean sie ab und führte sie wortlos zu Clodaghs Bowle, wo die Frau selbst ihr einen Becher einschenkte und majestätisch nickte.
Nun legte Sean ihr die Arme um die Schultern und führte sie an einen Sitzplatz, der wie durch Zauber plötzlich auf einer Bank vor der Wand erschien. Seine Schultern berührten ihre, seine Hüfte und sein Oberschenkel streiften sie. Yana fühlte sich erschöpft, aber nicht mehr traurig, sondern von einer unendlichen Erleichterung erfüllt. Sie
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nippte an dem Punsch, den Kopf gesenkt, während sie das genoß, was, genau wie Sean angekündigt hatte, eine Heilung war.
Das leise Murmeln sanfter, erwartungsvoller Stimmen, ließ sie aufblicken, und da sah sie, wie Bunny gerade Diego auf die Bühne führte.
»Dies ist Diego Metaxos«, sagte Bunny, die Arme über den Kopf gehoben, während sie sich langsam dem Publikum zudrehte, so wie Sean es getan hatte. »Er muß singen.«
Yana hoffte nur, daß sie selbst ebenso gefaßt gewirkt haben mochte, wie Diego es tat. Er nahm mit größerer Anmut Platz als sie, legte die gespreizten Finger auf die Knie.
Ich bin neu gekommen, im Sturm, hierher. Ein Sturm des Herzens und der Seele. Ich suchte und fand den Sturm mit Lavelle. Sie rettete mich, als der Schlitten stürzte. Mit der Hitze ihres Körpers errettete sie mich. Mit dem Witz ihres Geistes rettete sie auch meinen Vater.
Rettete mich, die Höhle zu sehen, von der alle sagen, ich hätte sie nicht geschaut.
Sein Tonfall war reich an Ironie und seine Tenorstimme jung und überraschend kräftig, obwohl Yana den Verdacht hegte, daß auch er noch nie vor Publikum gesungen hatte.
Doch ich schaute die Höhlen und das Wasser und das Schnitzwerk von Wind und Wasser. Ich schaute den glitzernden Schnee wie Geschmeide auf Tuch. Ich schaute die winkenden Zweige, das sprechende Wasser, die Antwort des Eisens, das Lachen des Schnees.
Ich schaute die Tiere des Wassers, der Erde, und auch diese sprachen zu mir. Sie waren gütig zu mir und gaben mir Antwort auf all meine Fragen, doch ich weiß nicht mehr, welche Fragen ich stellte.
Ich weiß nicht mehr, welche Antwort ich hörte. Ich weiß nur die Höhle, die Äste, das sprechende Wasser, das lebende Eis und den lachenden Schnee.
Ich weiß, daß ihr es auch wißt. So vernehmt denn mein Lied und glaubt mir. Denn ich schaute, was ihr geschaut habt.
Und bin verwandelt. Hört meinen Gesang.
Glaubt mir.
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Als der letzte, leidenschaftliche Ton verklang, warf er den Kopf zurück und streckte die Arme vor, um ihre Antwort zu er flehen.
Es begann als ganz leises, zustimmendes Murmeln, das immer stärker wurde, je mehr Menschen in den Chor einstimmten, je mehr mit den Füßen auf den Boden zu trommeln begannen, wurde zu einem hämmernden Crescendo, daß Yana sich fast die Ohren zugehalten hätte.
»Wir glauben dir! Wir glauben dir! Wir glauben!«
Yana war aufgesprungen und hatte mit allen in den Chor eingestimmt. Alle liefen im selben Augenblick auf den Jungen zu.
Bunny
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